Zeitschrift forum geschichtskultur ruhr

Heft 2/2020
„Visual History und das Ruhrgebiet“


Die Allgegenwart und die ‚Macht der Bilder‘ verändern politische und alltagskulturelle Diskurse sowie die Wahrnehmungsmuster von Wirklichkeit. Insbesondere Zeithistorie hat mit den in den letzten Jahrzehnten entwickelten visuellen Produktionen und Praktiken das Forschungsfeld ‚Visual History‘ entwickelt, „das Bilder in einem weiten Sinne sowohl als Quellen als auch als eigenständige Gegenstände der historiografischen Forschung betrachtet und sich gleichermaßen mit der Visualität von Geschichte wie mit der Historizität des Visuellen befasst“, so Gerhard Paul in seinem handbuchartigen Artikel zur Visual History auf Docupedia. Der vorliegende Heftschwerpunkt ‚Visual History und das Ruhrgebiet‘ nimmt in seinen Beiträgen Ansätze einer kritischen Bildhistoriografie auf, die Bilder nicht nur als Abbild sondern auch als dynamischen Faktor geschichtlichen Wandels sieht. Ferner interessieren Veränderungen der visuellen Wahrnehmung von Wirklichkeit und wie sie sich in der Art und Weise des Sehens der Bildproduzenten und der -rezipienten widerspiegeln.

Anhand von fotografischen Darstellungen, mit denen seit den 1920er Jahren Bildbände dem Ruhrgebiet einen visuellen Ausdruck geben wollten, weist S. Schneider auf deren „ideologischen Gebrauch zur Konstituierung eines offiziösen Images“ in einer „fortlaufenden Meta-Erzählung von Modernität und Wandel“ der Region hin. R. Stremmel fragt in seinem Beitrag nach der Einbindung von Industriefotografie an der Konstitution des Mythos Ruhrgebiets, deren Eigenständigkeit aber weit über diese Funktion hinausweise. Das Konzept von ‚Visual History‘ dient S. Grebe, T. Dupke und G. Cramm als Reflexionsebene für die Sammlungs- und Ausstellungsarbeit des Fotoarchivs des Ruhr Museums, wie es in einem dokumentierten Gespräch zum Ausdruck kommt. Den Werdegang des Fördergerüsts von Schacht 12 der Zeche Zollverein zur Bildikone des Ruhrgebiets zeichnet G. Parak anhand von differenten bildlichen Inszenierungen im historischen Verlauf nach. Der Bildern zugedachten aufklärerischen Funktion geht M. Köster anhand der Präsentation von „Schockbildern“ nationalsozialistischer Verbrechen in der Nachkriegszeit nach, die ihre Wirksamkeit als ein wichtiger Bestandteil des kollektiven Bildgedächtnis‘ zum Nationalsozialismus bis heute bewahrt haben.

Zahlreiche Institutionen im Ruhrgebiet bieten sich als Arbeitsorte der ‚Visual History‘ an, wie den qualitativen Bestands- und Aufgabendarstellungen zu entnehmen ist. Indirekt wird mit dieser „Leistungsschau“ das Anliegen des Aufbaus eines „Bundesinstituts für Fotografie“ in Essen unterstützt. Abgedruckt wird in der Rubrik der Mitteilungen des Ruhr Museums eine Stellungnahme des Verbunds Zentrum für Fotografie Essen (S. 70 f.), mit der nachdrücklich die Standortempfehlung Essen aus der Geschichte sowie der gegenwärtigen Arbeitsstruktur der Beteiligten – Folkwang Universität der Künste, Historisches Archiv Krupp, Museum Folkwang und Ruhr Museum – untermauert wird.

Corona wird nachhaltig die Geschichtskultur im Ruhrgebiet beeinflussen, was sich bereits kurzfristig an vielen ausgefallenen Ausstellungen, Vorträgen, Buchpräsentationen und anderen Events zeigte. Nach und nach nehmen die Aktivitäten wieder zu, die auf die Beteiligung bzw. den Besuch von Geschichtsinteressierten abzielen. Dies zeigt sich auch an den wieder zunehmenden Mails unserer auf aktuelle Informationen aus der Geschichtskultur hinweisenden Mailingliste, in die Sie sich unter www.geschichtskultur-ruhr.de eintragen können.

Editorial
Franz-Josef Jelich

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