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WDR Heimatabend

Donnerstag, 1. November 2018, 17.30 – 18.15 Uhr

*Heimatabend Mülheim an der Ruhr – die Stadt am Fluss*
Ein Film von Frank Bürgin und Anne Weiser
Sprecher: René Steinberg
Redaktion: Christiane Mausbach

„Katzeklo, Katzeklo, ja das macht die Katze froh!“ Wer glaubt, der
Ohrwurm der „singenden Herrentorte“ Helge Schneider ist das Einzige, was
Mülheim an der Ruhr hervorgebracht hat, irrt. Die Stadtgeschichte zeigt,
dass die Menschen hier neue Ideen schon immer mutiger als anderswo
umsetzen.  Unternehmen wie Thyssen, Stinnes oder Tengelmann wurden in
Mülheim an der Ruhr gegründet, hier stand der erste koksbefeuerte
Hochofen des Reviers. Der Selbstbedienungs-Supermarkt eroberte von
Mülheim aus die Republik und die Erfindung eines Verfahrens zur
Kunststoff-Herstellung revolutionierte die Welt. Die Innovationsfreude
und ihre Lage an der Ruhr machen Mülheim zur etwas anderen
Industriestadt im Ruhrgebiet.

Der Heimatabend Mülheim an der Ruhr erzählt von den beiden Gesichtern
der Stadt: einerseits klassisches Ruhrgebiet, andererseits die
großbürgerliche Stadt der Millionäre. Der Unternehmergeist der Stadt
reicht weit in die Geschichte zurück. In Mülheim queren sich zwei
wichtige Handelswege: die Ruhr und der Hellweg – ein idealer Standort
für Kaufleute. Im 19. Jahrhundert wird von Mülheim aus der Abtransport
der Kohle aus dem Ruhrtal organisiert, die Ruhr ist zeitweilig der
meistbefahrene Fluss Europas. Durch die günstige geografische Lage
beginnt die industrielle Laufbahn Mülheims früher als in anderen
Ruhrgebietsstädten.

Bis in die 1950er Jahre prägen Bergbau, Stahlproduktion und die
Lederindustrie die Wirtschaft der Stadt. Die Ruhr ist nicht nur
Transportweg, sie ist auch das Naherholungsgebiet der Stadt. Spazieren
gehen, baden und Bootsausflüge: Seit 1927 sind die Ausflugsschiffe der
Weißen Flotte zwischen dem Wasserbahnhof Mülheim und Essen-Kettwig
unterwegs. Es gibt keinen Mülheimer, der sich nicht an eine Fahrt mit
der Weißen Flotte erinnert. Mit dem Aufschwung der 50er Jahre und dem
Siegeszug des Autos verändert sich das Stadtbild: Die Straßen werden
breiter, die alte Schlossbrücke wird gesprengt und erneuert. Alle
Weichen stehen auf Fortschritt: 1963 erhält Karl Ziegler vom Mülheimer
Max-Planck-Institut für Kohlenforschung den Nobelpreis für Chemie. Er
hat das Ziegler-Nattaein-Verfahren entwickelt, mit dem bis heute
weltweit Folien, Plastikflaschen, Spielzeug, Autobauteile oder
Haushaltswaren hergestellt werden.

Schon 1966 wird Mülheim zechenfrei – als erste Stadt im Ruhrgebiet. Von
einer Krise ist aber kaum etwas zu spüren: „Viele Arbeiter kamen in
anderen Industriebetrieben unter. Da gab es kein Hochschnellen der
Arbeitslosigkeit“, weiß der Mülheimer Geschichtswissenschaftler Prof.
Dr. Horst A. Wessel. Nur Bergmann Willi Bruckhoff bedauert, dass es hier
heute kein einziges Denkmal für den Bergbau gibt: „Wenigstens eine
Erinnerung hätten sie uns lassen können. Hier ist nix mehr!“ Den
Strukturwandel meistert Mülheim an der Ruhr zunächst ohne Probleme. Die
Ansiedlung der „Kraftwerk Union“ ist ein großer Coup der
Wirtschaftsförderung. Das Röhrenwerk brummt, und auf dem ehemaligen
Gelände der Zeche Humboldt eröffnet 1973 Deutschlands erstes überdachtes
Einkaufszentrum: das Rhein-Ruhr-Zentrum.

Ein Jahr später wird auch das neu gebaute Stadtzentrum eingeweiht: Das
City-Center – vier riesige Wohntürme, Einkaufsparadies und
unterirdischer Verkehrsknotenpunkt – spiegelt den Fortschrittsglauben
der 70er Jahre. Die Mülheimer Kulturszene setzt immer wieder neue
Akzente. Die Theatertage entwickeln sich ab 1976 zu einen der
wichtigsten Festivals der Bundesrepublik. Werner Nekes und Dore O.
machen die Stadt zu einem Zentrum des Experimentalfilms, und Helge
Schneider erobert mit seinem unvergleichbar schrägen Humor ein
Millionenpublikum. Typisch „mölmsch“, also mülheimerisch, ist auch die
Reaktion der Stadt auf die Konjunkturkrise Ende der 80er Jahre. Sie
schafft die erste Landesgartenschau auf einer Industriebrache, die MüGa.
Zunächst höchst umstritten, wird sie zur Blaupause für den Umbau des
gesamten Ruhrgebiets. Heute möchte den MüGa-Park in den Ruhrauen niemand
mehr missen. Stattdessen streiten sich die Mülheimer über „Ruhrbania“,
ein millionenschweres Projekt, das die Innenstadt zum Fluss hin öffnen soll.

Der Heimatabend Mülheim an der Ruhr ist eine Zeitreise durch das
Nachkriegs-Mülheim. Er erzählt von großen Unternehmungen und kleinen
Freuden, von bemerkenswerten Künstlern und Sportlern, die es ins
Guinnessbuch der Rekorde gebracht haben. Die grüne Stadt Mülheim an der
Ruhr: permanenter Wandel, kühne Pläne und viel Mut zu Neuem. Mit den
Mülheimern Dr. Jürgen Großmann, Rona Nekes, Dagmar Peek, Dr. Thomas
Emons, Prof. Dr. Horst A. Wessel, Gabriela Grillo, Carsten Fischer und
Willi Bruckhoff.

Wiederholung: 2. November 2018, 02.50 – 03.35 Uhr

Samstag, 3. November 2018, 16.00 Uhr
*
Heimatabend Gelsenkirchen*
Ein Film von Frank Bürgin

Gelsenkirchen, das ist die Stadt der großen Dramen. Auf glänzende
Perspektiven folgten böse Abstürze. Immer wenn sich die Dinge zum Guten
zu wenden schienen, kam etwas dazwischen. Damit ist die Stadt wie ihr
Fußballverein – denn die Geschicke und das Lebensgefühl sind in
Gelsenkirchen untrennbar mit dem FC Schalke 04 verknüpft. Die
Entwicklung von Stadt und Verein, in Höhen wie Tiefen, ist in
Gelsenkirchen eng verknüpft. Quasi aus dem Nichts entstand Anfang des
20. Jahrhunderts eine Großstadt, als Zusammenschluss ehemals
eigenständiger Gemeinden und Dörfer. Um 1920 war die Stadt dann das
größte Bergbauzentrum Europas, die nächtliche Silhouette mit den Fackeln
der Koksöfen verleiht Gelsenkirchen den Beinamen „Stadt der tausend
Feuer“. Die Erfolge des „Schalker Kreisels“ gaben der jungen Großstadt,
deren Bevölkerung in großen Teilen aus osteuropäischen Zuwanderern
bestand, eine Identität, denn ausgerechnet der „Malocher- und
Polackenclub“ Schalke 04 spielte den elegantesten Fußball Deutschlands.

„Heimatabend Gelsenkirchen“ erzählt von der wechselhaften Geschichte der
Stadt. Den Zerstörungen des 2. Weltkrieges folgte in den 1950er Jahren
ein goldenes Jahrzehnt. Gekrönt wurde es durch die siebte – und bis
heute letzte – Deutsche Meisterschaft des FC Schalke 04 sowie einen
Theater-Neubau, der deutschlandweit Furore machte. Kohle und Stahl
hatten Hochkonjunktur, der Städtebau blühte, jede Feierlichkeit in der
Stadt wurde zu einem Massenereignis. „Wir sind in den Sommermonaten von
Fest zu Fest gezogen“, erinnerte sich der spätere Sparkassendirektor
Rudolf Heib an seine Sturm- und Drangzeit. Die Stadtväter hatten die
Urkunde für den vierhunderttausendsten Einwohner bereits in der
Schublade, als die Bergbaukrise den Strukturwandel einleitete.

In den folgenden 30 Jahren verlor die Stadt nach und nach fast 100.000
Arbeitsplätze. Zunächst quasi unbemerkt, schlitterte Gelsenkirchen nach
und nach in eine tiefe Krise. Begleitet wurde die De-Industrialisierung
von einigen umstrittenen Stadtplanungen und der verzweifelten Suche nach
Auswegen für die Stadt. Auf dem Höhepunkt des wirtschaftlichen
Niedergangs stieg der FC Schalke 04 auch noch in die 2. Liga ab. Erst
die Internationale Bauausstellung Emscherpark schaffte, ab 1989, neue
Perspektiven… und auch Schalke 04 wurde 1991 wieder erstklassig.

Die historischen Stadtfilme Gelsenkirchen, produziert zwischen 1952 und
1996, dokumentieren in einzigartiger Weise die wechselnden Geschicke der
Stadt. Sie berichten von zukunftsweisenden Projekten, empfindlichen
Rückschlägen und rauschenden Festen. Und sie verdeutlichen, warum viele
Gelsenkirchener bis heute so an ihrer Stadt hängen. Rolf Nölle: „Ich
könnte morgen mehrfacher Millionär werden, ich zöge nicht aus
Gelsenkirchen weg.“ Mit den Gelsenkirchenern: Marianne Bechmann, Theodor
Grütter, Rolf Nölle, Hans van der Forst, Ernst Otto Glasmeier, Werner
Hansch. Sprecher: Manni Breuckmann.

Die Heimatabend Gelsenkirchen ist Teil von des *WDR-Schwerpunktes zum
Kohleabschied*. Der Sender würdigt den Bergbau am 3. November ab 23.25
Uhr mit einer langen Filmnacht. Auch am 4. November geht es in
zahlreichen WDR-Sendungen um das Ruhrgebiet und die Kohle. Dazu
ausführlich:
www.wdr.de/programmvorschau/wdrfernsehen/uebersicht/2018-11-03/ +
www.wdr.de/programmvorschau/wdrfernsehen/uebersicht/2018-11-04/