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Vortrag
Ordinalität. Zur Biographie einer Skala
Dienstag, 9. Juli 2019, 18.00 Uhr
Reihe „Mittelmaß“
Vortrag: Ordinalität. Zur Biographie einer Skala
Prof. Dr. Anna Echterhölter, Wien
Auf den unzähligen Bewertungsskalen der digitalen Welt kann das
quantifizierte Selbst der Mittelmäßigkeit kaum mehr entrinnen.
Einerseits vermittelt es Normalität und Gesundheit im Mittel zu liegen.
Andererseits aber zählten fast überall nur mehr die 1., 2. und 3.
Plätze, wie sie die Ordinalskala mit ihrer Information über Rangfolge
und Hierarchie erzeugt. Aber wie entsteht dieses Bewertungsdispositiv,
wann wird diese Lesegewohnheit erlernt und wie ist die metrische Sphäre
Schritt für Schritt zur allgemeinen Handlungsumgebung geworden?
Der Vortrag geht wichtigen Abschnitten in der Biographie einer Messskala
wissenschaftsgeschichtlich nach. Um die Temperatur wurde beispielsweise
lange gestritten, bis aus der intensiven Größe Wärme eine stabil
benennbare Quantität auf einer global verbreiteten Skala geworden war.
Für die Farbskala gelang dies nie im selben Ausmaß. Mittelmäßigkeit ist
hier bedeutungslos, ebenso kann niemand die mittlere Position auf einer
Gefahrenskala wünschen, etwa der Turiner Skala für das Einschlagen von
Kometen, diverse Erdbebenskalen oder die Glasgow Coma Scale.
Die Verknüpfung von Skalen zur Leistungsmessung kündigt sich dort an, wo
der Blick auf Gesellschaften quantitativ wird: Der belgische Astronom
und Statistiker Adolphe Quetelet entwickelt eine soziale Physik, in der
der homme moyenne, der mittlere Mensch, beschrieben wird. Da seine
Skalen nicht nur ideale Körper, sondern auch kriminelle Devianz
abzubilden versprechen, wird ein normatives Element zum unausweichlichen
Effekt der Wahrnehmung von leistungsbezogenen Statistiken. Mit einer
entschiedenen Kritikerin der Ordinalskala, der Afrikanistin Jane Guyer,
werden außereuropäische Verhältnisse zum Vergleich herangezogen.
Anna Echterhölter ist Professorin für Geschichte der Neuzeit:
Wissenschaftsgeschichte an der Universität Wien.
Veranstalter: Kulturwissenschaftliches Institut Essen (KWI)
Veranstaltungsort:
Kulturwissenschaftliches Institut Essen (KWI)
Goethestraße 31, 45128 Essen