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Sonderausstellung
Eine Klasse für sich. Adel an Rhein und Ruhr

13. Dezember 2021 bis 24. April 2022

*Sonderausstellung „Eine Klasse für sich. Adel an Rhein und Ruhr“

*Aus der industriegeschichtlich geprägten Perspektive scheinen Adel und
die Rhein-Ruhr-Region unvereinbar. Aber das Ruhrgebiet hat auch eine
reiche vorindustrielle Vergangenheit, die es einst zu einer der
burgenreichsten Regionen Europas werden ließ. Aus vielen Wehrbauten
entwickelten sich später prächtige Wasserschlösser und Herrenhäuser.
Heute kommt man auf eine Gesamtzahl von über 400 Adelssitze. Etwa 200
von ihnen sind erhalten, wenn auch teilweise nur als Ruinen.

Die Ausstellung „Eine Klasse für sich“ nimmt nicht nur die Bauten der
Adelskultur in den Blick, sondern widmet sich auch den Adeligen selbst
und ihrer Rolle in der Geschichte dieser Region von den Anfängen im
Frühmittelalter bis in die Gegenwart. Welche Familien lebten hier,
welche Netzwerke bildeten sie, wie sahen ihr Alltag und ihre Feste aus,
auf welchen Säulen basierte ihre Macht, welche Rituale und Symbole gab
es? Die Ausstellung geht auch der Frage nach, wie die sich als Elite
verstehende Gruppe trotz Aufhebung ihrer Privilegien und des damit
verbundenen politischen Bedeutungsverlusts weiter bestehen konnte. Und
wie leben die Adeligen heute, welche Veränderungen ergaben sich aus
diesem Wandlungsprozess?

Die Ausstellung umfasst über 800 Objekte aus rund 160 Museen, Archiven,
Bibliotheken und Privatsammlungen. Viele adelige Familien stellen noch
nie ausgestellte Exponate zur Verfügung: Bildnisse ihrer Vorfahren und
andere Gemälde, kostbares Silber- und Porzellangeschirr sowie Glaspokale
und Sammlerstücke, die bis heute im Familienbesitz geblieben sind.
Urkunden, Stammbäume und illustrierte Bücher aus den zum Teil bis ins
16. Jahrhundert zurückgehenden Adelsbibliotheken, geben Einblicke in
ihre ehemalige Lebenswelt.

Höhepunkte der Ausstellung sind der Prunkharnisch Herzog Wilhelms V. von
Jülich-Kleve-Berg aus dem Kunsthistorischen Museum Wien, bedeutende
Stiftungen adeliger Frauen aus der Essener Domschatzkammer, das Porträt
der Essener Fürstäbtissin Franziska Christine, wertvolle Tapisserien,
aber auch ein Löwenfell aus dem ehemaligen Löwenpark des Grafen von
Westerholt in Gelsenkirchen. Die Bandbreite an Exponaten reicht vom
Mittelalter bis in die heutige Zeit und umfasst das ganze Spektrum der
Kunst- und Kulturgeschichte.

Die Ausstellung liefert zum ersten Mal einen Überblick zur gesamten
Geschichte des Adels an Rhein und Ruhr vom frühen Mittelalter bis in die
Gegenwart.

/DIE GLIEDERUNG/

Die Rhein-Ruhr-Region war nie das zusammenhängende Herrschaftsgebiet
eines mächtigen Fürsten. Sie zeichnete sich stets durch eine Vielzahl
kleinteiliger Herrschaften aus, zu denen neben Herzogtümern und
Grafschaften auch geistliche Territorien und Städte gehörten.
Die Ausstellung erzählt im Innenraum die tausendjährige Geschichte des
Adels. Im Frühmittelalter befördern Adelige als Gründer von Klöstern und
Stiften die Ausbildung des mittelalterlichen Feudalsystems. Burgen und
Kriege geben Zeugnis von Machtstrukturen, Rivalitäten und Bündnissen. In
der Frühen Neuzeit dominieren die repräsentativen Ansprüche des Adels:
Die Wohnsitze namhafter Familien werden zu Schlössern mit luxuriöser
Hofkultur und prachtvollen Gärten. Mit der Französischen Revolution
schwinden viele Vorrechte des Adels.

Der preußische Staat reglementiert ihn stark, eröffnet aber auch neue
Betätigungsfelder, vor allem in Verwaltung und Militär. Adelige
betätigen sich zunehmend als Unternehmer, gleichzeitig steigen
Bürgerliche zu „Schlotbaronen“ auf. Nach den Weltkriegen führt eine
Neuorientierung zu einer Rückbesinnung auf adelige Traditionen und zu
einem stärkeren Verantwortungsbewusstsein für die Erhaltung des
kulturellen Erbes.

In den Seitenräumen der Ausstellung wird die Welt des Adels in
zeitübergreifenden Themen vertieft. Die Tradition und Selbstdarstellung
der Adelsfamilien verdeutlichen Wappen und Ahnentafeln. Grafiken und
Fotos zeigen die imposanten Adelssitze dieser Region, während der Wandel
der Gartengestaltung in Plänen und Gemälden sichtbar wird. Möbelstücke
und Gobelins geben Einblicke in die adelige Wohnkultur, und die adeligen
Sammlungen werden mit Büchern, Gemälden und Preziosen gezeigt. Uniformen
stehen für die männlichen und weiblichen Bediensteten, die
jahrhundertelang für den Adel tätig waren. Die Objekte im Raum Kindheit
und Erziehung dokumentieren die Vorsorge für eine standesgemäße
Ausbildung, die mit einer gezielten Heiratspolitik und der Vernetzung in
den höchsten Kreisen einherging. Höfische Feste als gesellschaftliche
Höhepunkte werden mit Gemälden und Musikinstrumenten, die hohe Jagd als
Adelsprivileg anhand von Waffen und Geweihtrophäen vorgestellt. Im Raum
Tod und Begräbnis finden sich neben Totentafeln imposante Grabmonumente,
und der letzte Bereich Faszination Adel thematisiert das immer noch
vorhandene Interesse unserer bürgerlichen Gesellschaft an der Welt des
Adels.

/DIE HISTORISCHE EINORDNUNG/

Der Adel scheint aus gegenwärtiger, aber auch aus historischer
Perspektive für das Ruhrgebiet und seine Geschichte nicht von Bedeutung
zu sein. Das verblüfft insofern, als es sich bei der über zweitausend
Jahre im weitesten Sinne schriftlich bezeugten Geschichte der Region
oder zumindest in Teilen der Region um eine Geschichte der
Adelsherrschaft handelte, die im Frühmittelalter begann und letztlich
erst in der Weimarer Republik vor hundert Jahren an ihr Ende kam.

Dabei hatte diese Geschichte vor allem in den Anfängen bedeutende
Höhepunkte, sowohl im Hinblick auf den geistlichen als auch auf den
weltlichen Adel, die von entscheidender Bedeutung für die
Christianisierung als auch für die politische Konstituierung des
mittelalterlichen Heiligen Römischen Reiches waren. So lagen bedeutende
Niederlassungen des fränkischen und späteren Ottonischen Königshauses
und mit dem Kloster Werden und dem adeligen Frauenstift Essen auch
wichtige Zentren der Missionierung und des geistlichen Adels in der Region.

Mit dem Wechsel vom fränkischen und sächsischen zum salischen und vor
allem staufischen Kaiserhaus im Hochmittelalter wanderte die
Zentralmacht im Deutschen Kaiserreich von Nord- nach Süddeutschland. Die
Rhein-Ruhr-Region wurde zunehmend zu einem Raum mittlerer und kleinerer
Territorien. Eine Struktur, die im Grunde nach bis zur preußischen
Herrschaft im 19. Jahrhundert andauerte. Hinzu kommt, dass die
Herrschersitze dieser Adelsgeschlechter, von denen nur die Herzogtümer
Kleve, Mark, Jülich und Berg und zeitweilig der Kölner Erzbischof eine
überregionale Bedeutung hatten, nicht im späteren Ruhrgebiet, sondern
außerhalb in Köln, Bonn und Düsseldorf, in Kleve und Jülich lagen und
sich im Ruhrgebiet somit keine bedeutende Residenzstadt ausbildete und
die Region jahrhundertelang gleichsam von außen regiert wurde.

Aber genau diese kleinräumige Herrschaftsbildung ist es, die das spätere
Ruhrgebiet zu einer spezifischen Adelsregion mit ganz eigenen
Besonderheiten und Charakteristika hat werden lassen. So etabliert sich
in dem adeligen Frauenstift Essen eine fast tausendjährige
Frauenherrschaft, die durchgängig von der Gründung des Stiftes bis zur
Säkularisierung die Geschicke der Stadt leitete. Und in der freien
Reichsstadt Dortmund mit ebenso überschaubarem Territorium bildete sich
im Spätmittelalter, vor allem in der Hansezeit, ein neuer patrizischer
Stadtadel, der über immensen Reichtum und Handelsverbindungen in ganz
Europa verfügte.

Am typischsten für das Ruhrgebiet ist aber sicherlich die Beteiligung
des Adels an der beginnenden Montanindustrie. Zu Beginn des 19.
Jahrhunderts betätigten sich sowohl Bürgerliche als auch Adelige als
Industriepioniere. Während sich der Adel in der Folgezeit aber immer
mehr zurückzog, war es den bürgerlichen Industriellenfamilien ein
Anliegen, ihren wirtschaftlichen Erfolg und ihr gesellschaftliches
Ansehen durch einen feudalen Lebensstil und wenn möglich durch einen
Aufstieg in den Adel zu nobilitieren. Alles in allem führte die
territoriale Kleinräumigkeit, der stetige Wandel in den
Herrschaftsbeziehungen und die unterschiedlichen Möglichkeiten der
Betätigung dazu, dass sich an Rhein und Ruhr eine der dichtesten
Adelsregionen entwickelte, mit mehr als 400 Adelssitzen, von
mittelalterlichen Motten und Burgen über Herrensitze und Schlösser bis
zu schlossartigen Industriellen wohnsitzen, von denen noch über 200 mehr
oder weniger gut erhalten existieren. Sie sind heute noch häufig der
Sitz ihrer adeligen Besitzer*innen und mitten im Ruhrgebiet.

/DER KATALOG
/
Der Katalog zur Ausstellung im Ruhr Museum gibt zum ersten Mal einen
Überblick zur Geschichte des Adels an Rhein und Ruhr vom frühen
Mittelalter bis in die Gegenwart. Er zeichnet in Bildern und Objekten
nach, wie es den Adeligen der Region gelang, trotz wechselnder
Machtstrukturen über viele Jahrhunderte „oben zu bleiben“.
Archäologische Funde, Gemälde, Wappen und Aufschwörungstafeln,
Archivalien und Bücher, Silber und Porzellan, Gobelins und Möbel,
Kleidung und persönliche Gegenstände veranschaulichen die Geschichte
dieser „Klasse für sich“. Der 384 Seiten starke Katalog zur Ausstellung
mit über 400 Abbildungen kostet 29,95 Euro und erscheint im Klartext
Verlag, Essen, 2021. ISBN: 978-3-8375-2481-9.

Zur Sonderausstellung findet ein umfangreiches Begleitprogramm mit
Führungen, einer Vortragsreihe, einem Gespräch, einem Filmabend und
Exkursionen sowie einem vielfältigen Programm für Kinder, Familien,
Jugendliche und Schulen statt. Erstmals wird eine kostenlose
Audioguide-App angeboten, die mit 26 Beiträgen zu den Highlights und
durch die Ausstellung führt. Die App kann im App Store für
Apple-Endgeräte und im Google Play Store für Androidgeräte kostenlos
heruntergeladen werden.

*Veranstaltungsort*
Ruhr Museum
in der Kohlenwäsche
UNESCO-Welterbe Zollverein
Gelsenkirchener Str. 181, 45309 Essen

Am Sonntag, dem 12. Dezember 2021 startet um 17 Uhr der Livestream zur
*Ausstellungseröffnung* auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein. Unter
www.ruhrmuseum.de/adel können Sie die Eröffnungsfeier in der Halle 12
sowie einen 15-minütigen Film zur Ausstellung sehen.