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Neuerscheinung
Wider das Verschwinden der Dinge. Die Erfindung des Denkmalinventars

Matthias Noell: Wider das Verschwinden der Dinge. Die Erfindung des
Denkmalinventars (1. Bd. der „kleinen architekturwissenschaftlichen
Reihe“). Wasmuth & Zohlen Verlag, Berlin 2020, 404 Seiten, ohne
Abbildungen, ISBN 978 3 8030 3410 6, 48,00 €

In seinem jüngsten Buch /Wider das Verschwinden der Dinge. Die Erfindung
des Denkmalinventars /analysiert Matthias Noell, Professor für
Architekturgeschichte und Architekturtheorie an der Universität der
Künste, Berlin, Erfolge und Misserfolge unzähliger Initiativen zur
Etablierung von Inventaren in der Zeit von 1789 bis 1913. Der Text mit
seinen 1.062 Anmerkungen ist wissenschaftlich fundiert und dabei
gleichzeitig flüssig und unterhaltsam verfasst: „Jeder Inventarisator
müsse neben den wissenschaftlichen und künstlerischen Fähigkeiten vor
allem gut zu Pferd und zu Fuß sein, war sich Grille de Beuzelin (1837)
nach seinen Streifzügen sicher.“

Das Buch verweist darüber hinaus auf ein bislang unerklärtes
Europäisches Projekt: die zahlreichen wissenschaftlichen, methodischen
und administrativen Bestrebungen zur Veröffentlichung der Denkmale über
die Ländergrenzen von Frankreich, Deutschland, Italien, Österreich und
der Schweiz hinweg. „Während Georg Hager (1709-1777) und Berthold Riehl
(1858-1911) alleine unterwegs waren oder sogar einsame Wanderungen
forderten, zogen Rudolf Bergau (1836-1905) und Paul Lehfeldt (1848-1900)
bei Regen und Sonnenschein von Ort zu Ort zusammen durch Brandenburg.
Nur kurz darauf wurde das Fahrrad erschwinglich und Paul Clemen
(1866-1947) reiste mit diesem Individualverkehrsmittel und steckte so
vielleicht auch seine Doktorandin Carola Welcker (1893-1979) an. Ernst
Gall (1888-1958) konnte sich bei seinen Forschungsreisen in der
Normandie hingegen schon des Automobils bedienen – für den Transport der
schweren Glasplatten seines Fotoapparates sicherlich von erheblichem
Vorteil.“

Denkmalinventare sind wissenschaftlich fundierte Beschreibungen von
Denkmalen in Wort und Bild. Die Idee zu ihrer Erstellung war eine
Reaktion auf die gravierenden Zerstörungen von Denkmalen seit der
Französischen Revolution und der beginnenden Industrialisierung. Mit den
Erkenntnissen, Methoden und Werkzeugen, die sie boten, prägten sie die
entstehenden Architekturwissenschaften des 19. und 20. Jahrhunderts.
Matthias Noell erforscht und betrachtet diese im 19. Jahrhundert neu
entstandene Buchgattung. Er stellt die Hauptautoren und Protagonisten im
Europa des 19. Jahrhunderts vor – zu nennen sind hier unter anderem
Arcisse de Caumont, Ludovic Vitet, Victor Hugo, Karl Friedrich Schinkel,
Eugène-Emmanuel Viollet-le-Duc, Franz Xaver Kraus, Johann Rudolf Rahn
oder Max Dvorák – und analysiert nicht nur ihre präzisen
Systematisierungsversuche, sondern beschreibt auch die poetische
Melancholie ihrer Reflexionen in Anbetracht des zwangsläufigen
Scheiterns. In beeindruckender Weise bettet Noell die
architekturwissenschaftlichen Bemühungen in die Ideen- und
Kulturgeschichte der Zeit ein und zeichnet so die Ideengeschichte eines
europäischen Großprojekts nach.