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Neuerscheinung
Thorade

Thorade, Nora: Die Kohlenwäsche. Ein Stoff-Technik-Netzwerk im 19.
Jahrhundert, in: Technikgeschichte 88 (2021), H. 3, S. 287 – 312

In den letzten Jahren ist die Auseinandersetzung mit Stoff und Material
in den Geschichtswissenschaften auf großes Interesse gestoßen. In
Abgrenzung zur Geschichte von Objekten und Dingen entwickelte sich
daraus eine Stoffgeschichte, die Stoffe sowohl analytisch als auch
kategorisch im Feld der Geschichtswissenschaften neu verortet. Die
zentrale Forderung, den Stoff in den Mittelpunkt zu rücken, bringt dabei
auch der Technikgeschichte neue Möglichkeiten. Wenn technische
Entwicklungen und die Ausgestaltung technischer Welten als
Auseinandersetzung mit Materialität verstanden werden, wird der Stoff
zum Akteur. Dieser Aufsatz widmet sich anhand des Beispiels der
Kohlenwäsche und deren Entwicklung im deutschen Bergbau des 19.
Jahrhunderts der Frage, wie sich Stoff und Technik zueinander verhalten.
Im Zuge der Industrialisierung erfuhr die Steinkohle eine Transformation
und ging dabei unterschiedliche Beziehungen ein. Sie lieferte Energie
und wurde in den unterschiedlichsten Bereichen unersetzlich. Dabei
zeigten sich deutliche stoffliche Unterschiede, die sich auf die Eignung
der jeweiligen Kohlensorten für die verschiedenen Prozesse auswirkten.
Die Mängel mancher Sorten machten die Aufbereitung als eine Technik der
Optimierung technisch relevant und wissenschaftlich interessant. In
diesem Sinn wird die Entwicklung und Erforschung der Kohlenwäsche als
eine Möglichkeit für die Steinkohlenaufbereitung als Auseinandersetzung
mit dem Charakter der Steinkohle bzw. den Potenzialen und
Einschränkungen der Materialität interpretiert. Stoff und Technik
interagieren miteinander und konstituieren ein Stoff-Technik-Netzwerk.
Der Aufsatz unterstreicht die Wirkmächtigkeit der Materialität und ist
somit auch ein Beitrag zur Diskussion, ob Stoffe agency haben oder nicht.