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Schichtungen des Urbanen – Ruhrgebiet und Rust Belt

CFP:  Schichtungen des Urbanen – Ruhrgebiet und Rust Belt

Bewerbungsschluss: 21.02.2019

Tagung im Fritz-Hüser-Institut für Literatur und Kultur der Arbeitswelt
(Dortmund) und am German Department der University of Cincinnati
Organisation: Iuditha Balint (Dortmund), Jana Golombek (Dortmund), Tanja
Nusser (Cincinnati)

In seinen »Vorlesungen über die Ästhetik« (1770–1831) setzt sich Georg
Wilhelm Friedrich Hegel unter anderem mit dem Vermögen verschiedener
Künste auseinander, Raum und Räumliches in der Zeit darzustellen und zu
reflektieren – und nimmt dabei im Ergebnis eine Hierarchisierung vor:
Auf der untersten Stufe dieser Hierarchie befinde sich die Architektur
als die ›ungeistigste‹ Kunstform; auf sie folge die plastische oder
Bildhauerkunst (bei Hegel: Skulptur); die dritte Stufe besetze die
Malerei; auf der vorletzten Position befinde sich die Musik; die
absolute Spitzenposition kommt in Hegels Hierarchisierung der Dichtung
(bei Hegel: Poesie) zu, zumal sie es aufgrund ihrer Dreiteilung in Epik,
Lyrik und Dramatik vermöge, Darstellungen des Objektiven in die
subjektive Welt der Vorstellung zu überführen, und das unter möglichst
gering gehaltenem materiellem Einsatz. Auf »andere unvollkommene
Künste«, wie er sie nennt, so etwa »Gartenbaukunst, Tanz usf.«, geht
Hegel in seinen Überlegungen nicht mehr ein.

Ausgehend von dieser bis weit in das 20. Jahrhundert wirkungsmächtigen,
aber natürlich auch kritikwürdigen Hierarchisierung Hegels, die –
bezogen auf ein und denselben Untersuchungs- oder Betrachtungsgegenstand
– zugleich als ästhetische Schichtung betrachtet werden kann, fragt die
Konferenz anhand zweier Industrieregionen, dem Ruhrgebiet und dem
Rustbelt, danach, wie in unterschiedlichen Kunstformen und
Medienformaten Phänomene des Städtischen, des Urbanen, der Stadt
inszeniert und verhandelt werden, Phänomene also, die stets in Bewegung
begriffen sind.

Raum und Räumliches fungieren dabei nicht nur als Kategorien, die zur
Unterscheidung des Darstellungsvermögens verschiedener Kunstgattungen
herangezogen werden (wie bei Hegel, aber auch bei Lessing, Goethe,
Schlegel, Novalis, Schelling und selbst noch bei Adorno). Vielmehr lässt
sich anhand dieser beiden Industrieregionen stellvertretend, aber auch
zugespitzt herausarbeiten, wie bspw. Landschaft, Architektur, soziale
Gefüge, Materialität, Immaterialität unaufhörlichen Dynamiken und
Transformationsprozessen unterworfen sind, dies auch mit Blick auf
(ihre) Ästhetiken. Die Konferenz rückt diese Dynamiken von Stadt- und
Regionsgebilden in das Zentrum, um diese als Elemente bzw.
(Teil-)Aspekte von Schichtungen zu untersuchen, gerade auch in ihrer
nicht-materiellen Natur (etwa in Form von individuellen oder kollektiven
Erinnerungen, Erkenntnissen, Gefühlen, Stimmungen, Eindrücken, aber auch
im Fall von virtuellen Realitäten). Schichtung wird damit zu einem
Konzept, das in zweierlei Richtungen verweist: Zum einen lässt es sich
auf die zeitlichen, räumlichen, historischen, soziokulturelle
Strukturen, Entwicklungen und Gegebenheiten von Stadt-Raum-Gefügen
beziehen, zum anderen – folgt man dem Hegel’schen Modell – auf die
Darstellung derselben in den verschiedenen Künsten, Medien, Medienformaten.

Mögliche Themen können dabei sein:
– Wie werden die beiden Regionen konstruiert, ästhetisch produziert und
welche Funktion kommt dabei Schichtungsprozessen zu?
– Wie verhält es sich mit der Abwertung des materiell Räumlichen mancher
ästhetischer Theorien seit dem material turn? Wie verhalten sich
material und spatial turn zueinander? Wie verhalten sich verschiedene
künstlerische Darstellungsformen als symbolische Ordnungen zueinander
(intertextuell, intermedial, in der Zeit)?
– Mikrogeschichten des Urbanen als z. B. historische, klassen- sozial-,
kunst-, geschichtliche, räumliche, textuelle, sprachliche Formen von
Schichtungen.
– Schichtungen und Traditionen
– Schichtung als strukturelles Untersuchungsprinzip in den urban studies.
– Wie werden diese Schichtungen ästhetisch konstruiert, in Sprache
gefasst, sprachlich umformt? Wie werden sie ggf. in unterschiedlichen
historischen Phasen des Wandels von Arbeit und Arbeitswelten, Technik
und Technologie, Kommunikationswegen und -modi, in unterschiedlichen
sozialen und kulturellen Umgebungen (zeitgenössisch und auch
retrospektiv) erzählt, inszeniert, konzeptualisiert, produziert – zumal
die Vorstellungen und Konzepte von Zeit, Raum, Sprache, Klasse,
Geschichte ihrerseits historischen Veränderungen unterworfen, eng mit
dem sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen Wandel verflochten und
kulturell geprägt sind?
– Welches Nebeneinander und Ineinander von Schichtungen lassen sich
beobachten, welche Realisierungs- und Erscheinungsformen des Urbanen
bringen sie hervor, unterdrücken oder verhindern sie?
– Mit welchen textuellen, künstlerischen, sozialen Praktiken wird diesen
Schichtungen begegnet und wie hängen diese mit bestimmten Ästhetiken
zusammen?
– Stilistiken und Rhetoriken der Schichtung
– Welche Spannungs- und Machtverhältnisse lassen sich an den jeweiligen
Schichtungen ablesen? (bspw. Gentrifizierung, Vielfalt/Diversität,
Umsiedlung, Verarmung, Erosion)

Die Tagung findet vom 7.–9. November 2019 in Dortmund und vom 20.–22.
Februar 2020 in Cincinnati statt, die Teilnahme an beiden Teilen der
Tagung wird vorausgesetzt. Konferenzsprachen sind deutsch und englisch;
wir bemühen uns um eine möglichst interdisziplinäre Ausrichtung. Die
Übernahme der Reise- und Unterbringungskosten wird angestrebt, kann
jedoch nicht garantiert werden. Die Publikation ausgewählter Beiträge
ist vorgesehen.

Bei Interesse bitten wir Kolleginnen und Kollegen aus allen Disziplinen
um die Zusendung eines Abstracts von max. einer Seite bis spätestens zum
21. Februar 2019 an Iuditha Balint (ibalint@stadtdo.de), Jana Golombek
(jana.golombek@lwl.org), Tanja Nusser (tanja.nusser@uc.edu).

Eine Kooperation des Fritz-Hüser-Instituts mit dem LWL-Industriemuseum
in Dortmund und dem German Department der University of Cincinnati.