Mailingliste

Ausstellung
Ausstellung über Beziehungen von Mensch und Tier im Wandel

bis 25. Oktober 2020*

Boten, Helfer und Gefährten. **Beziehungen von Mensch und Tier im Wandel*
LWL-Industriemuseum Zeche Hannover beleuchtet das Verhältnis von Mensch
und Tier

Bochum (lwl). Hausschlachtung, Galopprennsport, Brieftaubenzucht und
Urban Beekeeping – das Verhältnis von Menschen und Tier im Revier ist
vielfältig und hat sich seit der Industrialisierung grundlegend
gewandelt. Wo früher Wildpferde grasten, wurden später Grubenpferde zur
Arbeit in die Zeche verfrachtet. Heute säumen zahlreiche Pferdehöfe für
Hobbysportler das Revier. Welche Rolle spielen Tiere im Alltag der
Menschen? Wie wandelten sich die Einstellungen zu ihnen? Das fragt die
neue Ausstellung „Boten, Helfer und Gefährten“, die der
Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) bis 25. Oktober in seinem
Industriemuseum Zeche Hannover in Bochum zeigt.

Die Ausstellung folgt den Spuren von Bienen, Schweinen, Tauben und
Pferden in Westfalen und im Ruhrgebiet. Über 300 Exponate und zahlreiche
Medienstation beleuchten das wechselvolle Verhältnis von Tieren und
Menschen vom Industriezeitalter bis heute. Das Spektrum reicht von einem
Bienenkorb aus den 1930er Jahren über das Geschirr des letzten
Grubenpferdes der Zeche Zollern in Dortmund über historische Postkarten
bis zu einem Fallschirm für Nachrichtentauben aus dem Zweiten Weltkrieg.

„Trotz der Dominanz der Maschinen haben bis in die 1960er-Jahre hinein
Menschen und Tiere gemeinsam gearbeitet. Erst danach sind die Pferde aus
den Bergwerken und aus dem Straßenbild verschwunden. Heute ist der
Umgang der Menschen mit den Tieren in den Städten der Region vor allem
eine Sache der Freizeit und des Wohlbefindens – vom Sport bis zum
Haustierliebe“, sagt LWL-Museumsleiter Dietmar Osses. Das Verhältnis der
Menschen zu den Tieren ist dabei vielfältig. „Aus dem Alltag der
Menschen sind viele Tiere verschwunden. Eine sich ändernde Einstellung
zu Tieren zeigt sich auch im Trend zu vegetarischer oder veganer
Ernährung. Gleichzeitig investieren viele Menschen Geld, um ihre Sport-
oder Haustiere mit speziellem Futter oder Accessoires zu verwöhnen“,
erläutert Projektleiterin Lisa Egeri.

Die Ausstellung ist in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Mensch und
Tier im Ruhrgebiet entstanden, einem interdisziplinären Zusammenschluss
von Forschenden und Museumsfachleuten aus Nordrhein-Westfalen,
koordiniert vom Kulturwissenschaftlichen Institut Essen. Zusammen mit
der Ausstellung „Mensch und Tier im Revier“ im Ruhr Museum Essen (bis
16. August) und der Ausstellung „Modische Raubzüge durch die Tierwelt“
im LVR-Industriemuseum Textilfabrik Cromford (ab 21.3.2021) bietet die
Ausstellung „Boten, Helfer und Gefährten“ im LWL-Industriemuseum Zeche
Hannover in Bochum vielfältige Einblicke in die Beziehungen von Mensch
und Tier in der Region.

Themen der Ausstellung
*Schweine*
Ob schlau und niedlich oder verfressen und unrein – die Einstellungen
der Menschen zu Schweinen ist voller Widersprüche. „Während bis in die
1960er-Jahre die Haltung und Schlachtung eines Hausschweins in der
Bergarbeitersiedlung noch üblich war, haben sich heute die Lebenswelten
von Schweinen und Menschen im Ruhrgebiet weit voneinander entfernt“,
erklärt Museumsmitarbeiterin Julia Bursa. Die Haltung, Tötung und
Verarbeitung der Schweine sind im Alltag kaum sichtbar. In der
Populärkultur begeistern Figuren wie „Peppa Pig“ und „Pottpauli“ vor
allem Kinder. Wildschweine sind in den speziell angelegten Wildgehegen
gern gesehen. Im Stadtwald und in Gärten gelten sie dagegen als
Eindringlinge, an Autobahnraststätten als Seuchenherde und werden daher
vertreiben und gejagt. Die Ausstellung zeigt in diesem Bereich zum
Beispiel die Ausrüstung für die Hausschlachtung aus einem
Bergmannshaushalt mit Leiter, Krummholz und Messern und ein „Wühlophon“
zur Beschäftigung von Schweinen.

*Pferde*
Westfalen gilt als Pferdeland – und das mit Recht. Wildpferdbestände im
Emscherbruch begründeten einst die Pferdemärkte in Crange und Umgebung.
Seit dem Mittelalter ist ein aufsteigendes Pferd das Wappentier von
Westfalen. Bis 1966 arbeiteten Zehntausende von Grubenpferde in den
Bergwerken unter Tage. „Das Industriezeitalter brachte aber auch den
Pferdesport ins Ruhrgebiet. Der irische Unternehmer William Thomas
Mulvany veranstalte in der eigens angelegten Pferderennbahn in Castrop
1875 das erste große Pferderennen im Ruhrgebiet. Galopp- und
Trabrennbahnen folgten in zahlreichen Revierstätten. Sie boten
Pferderennsport auf höchstem Niveau und gesellschaftliche Anlässe für
Prominente und Arbeiterschaft“, erläutert Kuratorin Jana Golombek. Eine
Glocke des Castroper Rennvereins von 1874 und historische Postkarten
zeugen von der Hochzeit des Rennsports im Revier. Heute ist der
Reitsport ein Massenphänomen. So hält Nordrhein-Westfalen die
Spitzenposition bei der Anzahl der Reisportvereine in Deutschland.
Pferdebücher, Pferdefilme und Pferdeblogs im Internet sind vor allem bei
Mädchen beliebt und verschaffen der Zubehörindustrie hohe Umsätze.

*Tauben*
Weiße Tauben gelten als Zeichen für Unschuld, Frieden und Gottes Segen.
Die Populärkultur des 19. Jahrhunderts prägte vor allem das Motiv der
Tauben als Liebesboten. Eine Serie von 60 Ansichtskarten zeigt die weite
Verbreitung dieser Motive. Aus militärischen Gründen unterstütze die
preußische Regierung ab 1876 die Gründung von Brieftaubenzuchtvereinen.
Im Ruhrgebiet fiel die Idee der Taubenzucht und der Veranstaltung von
Wettflügen auf besonders fruchtbaren Boden. Die Siedlungshäuser der
Arbeiterkolonien boten mit den großen Gärten und Dachböden ideale
Voraussetzung für den Betrieb eines Taubenschlags. Neben der Taubenzucht
waren Wetten auf den Ausgang der Preisflüge, aber auch der gesellige
Austausch der meist männlichen Brieftaubenzüchter für viele attraktiv.
„Um 1900 entwickelte sich das Ruhrgebiet zum Zentrum der
Brieftaubenzucht in Deutschland und hält diese Position trotz eines
deutlichen Rückgangs der aktiven Taubenzüchter und Züchterinnen auch
weiterhin“, so Museumsleiter Dietmar Osses. Als ein „Himmelbett für
Tauben“ besang Herbert Grönemeyer seine Heimatstadt Bochum. Tatsächlich
sind Tauben in den Innenstädten heute von vielen Menschen nicht gern
gesehen. Mit aufwändigen Maßnahmen von Netzen über Abwehrspikes bis zu
Stromschienen werden die Stadttauben vergrämt – und dabei oft verletzt
oder getötet. Zahlreiche Initiativen setzten sich für den Schutz der
frei lebenden Tauben und ein friedliches Miteinander von Menschen und
Tauben ein. Sie versorgen verletzte Tiere und bieten sich für Beratungen
an. Ein Erste-Hilfe-Set für Stadttauben ist in diesem Bereich ausgestellt.

*Bienen*
Für viele Menschen gelten Biene als fleißige und nützliche Tiere.
Produkte der Honigbienen sind als Genuss- und Heilmittel sehr begehrt.
Der Bochumer Gelehrte Carl Arnold Kortum verfasste 1776 ein umfassendes
Werk über die Grundsätze der Bienenzucht in Westfalen. In der Hochphase
der Schwerindustrie beklagten Imker im Ruhrgebiet die negativen
Auswirkungen der Rauchplage auf ihre Bienenvölker und den Rückgang der
Honigerträge. „Heute gelten die Bienen als Botschafterinnen im Kampf für
Umweltschutz und Artenvielfalt“, weiß Egeri, die selbst als Imkerin
tätig ist. Die Urban-Beekeeping-Bewegung hat die Städte des Ruhrgebiets
erreicht. Seit 2012 widmen sich auch die „Ruhrstadtimker“ der
Bienenzucht und betreuen eine ständig wachsende Zahl von
Nachwuchsimkern. Im Mittelpunkt steht die Arbeit mit den Bienenvölkern –
die Frage nach dem Honigertrag tritt dabei in den Hintergrund. Zu sehen
sind Exponate wie ein historischer Bienenkorb, eine Imkerpfeife, aber
auch eine Sammlung von Honigtöpfen und das BVB-Maskottchen Biene „Emma“
und ein Insektenkasten mit Wildbienenarten.

*Begleitprogramm*
Aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus werden gegenwärtig
nur Führungen für angemeldete Gruppen bis maximal zehn Personen und
Führungen für Familien angeboten. Informationen und Anmeldung unter
Telefon 0234 282539-0 oder per Mail an: zeche-hannover@lwl.org. Ab
September sind je nach Entwicklung der allgemeinen Lage
Begleitveranstaltungen geplant.

*Katalog*
Boten, Helfer und Gefährten. Beziehungen von Mensch und Tier im Wandel,
hg. LWL-Industriemuseum, Lisa Egeri und Dietmar Osses, Klartext Verlag,
Essen 2020, ISBN 978-3-8375-2269-3, 19,95 Euro

Veranstaltungsort:
LWL-Industriemuseum Zeche Hannover
Günnigfelder Straße 251 | 44793 Bochum
Geöffnet Mi-Sa 14-18 Uhr, So und an Feiertagen 11-18 Uhr
Eintritt frei, www.lwl-industriemuseum.de