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Ausstellung
Revierfolklore. Zwischen Heimatstolz und Kommerz

Samstag, 24. März bis 28. Oktober 2018

Revierfolklore. Zwischen Heimatstolz und Kommerz
Das Ruhrgebiet am Ende des Bergbaus in der Populärkultur

Förderwagen im Vorgarten, Schlägel und Eisen als Schlüsselanhänger und
Ruhrpott-Schriftzüge auf T-Shirts – im Alltag finden sich viele Andenken
an den Bergbau im Ruhrgebiet. Einige stehen nicht mehr für die Arbeit
auf der Zeche, sondern markieren ein besonderes Lebensgefühl im
Ruhrgebiet und die Verbundenheit mit der Region. Doch was steht hinter
dieser Revierfolklore? Ist sie ein Ausdruck von Heimatstolz oder Folge
einer Vermarktung der Erinnerung und Kommerzialisierung der Region? Das
fragt eine neue Ausstellung im LWL-Industriemuseum Zeche Hannover, die
der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) heute (23.3.) in Bochum
eröffnet.

Gezeigt werden über 250 Exponate: alte und neue Stücke aus Kohle und
Kunststoff, Metall und Vinyl, Andenken und Objekte aus der Imagewerbung,
dem Fußball, der Musik sowie der Ess- und Trinkkultur des Reviers. Das
Spektrum reicht vom Wandteppich über Skulpturen bis zu kuriosen Objekten
wie Plüschpantoffeln mit Förderturm, Bade-Enten in Kumpel-Kluft und
einer Eieruhr mit Schlägel und Eisen, die das Steigerlied spielt. An
Hörstationen können Besucher Musik über den Ruhrpott lauschen. Ergänzt
wird die Schau durch Fotos von Förderwagen, die Museumsfotograf Martin
Holtappels in einer Serie dokumentiert hat – 80 werden im Malakowturm
der Zeche Hannover gezeigt, alle 600 sind auf einer interaktiven Karte
im Internet zu sehen
(www.lwl.org/industriemuseum/standorte/zeche-hannover).

„Vor allem in der populären Kultur sind immer deutlichere Anzeichen
einer Folklorisierung des Bergbaus und des Ruhrgebiets zu sehen. Einige
sind Ergebnisse von gezielten Marketingstrategien, andere können eher
als Ausdruck einer Identifizierung mit dem Ruhrgebiet verstanden
werden“, erklärte LWL-Museumsleiter und Kurator Dietmar Osses. Symbole
aus der Montanindustrie stünden heute nicht mehr für die aussterbende
Branche des Bergbaus, sondern hätten sich vielmehr zu Zeichen für die
gesamte Region und einer Identifikation mit dem neuen, gewandelten
„Ruhrpott“ entwickelt.

Die Themen der Ausstellung
Symbole aus dem Bergbau begegnen uns im Ruhrgebiet auf Schritt und
Tritt. „Der Ruhrbergbau hat traditionelle Symbole wie Schlägel und Eisen
aus alten Bergbaurevieren übernommen und teilweise neu gestaltet“, so
Historikerin Lisa Weißmann vom LWL-Industriemuseum, die die Ausstellung
mitgestaltet hat. Obwohl die Zeiten des Steinkohlenbergbaus in den
meisten Städten des Ruhrgebiets schon lange vorüber sind, pflegen
Knappen- und Traditionsvereine bis heute die bergmännische Traditionen.
Barbarafeiern und Knappenumzüge sind wichtige wiederkehrende Ereignisse
des Vereinslebens. Ein Film-Feature gibt Einblick in diese Tradition.

Vom Kohlenpott zum Ruhrpott: Das Image des rußgeschwärzten Kohlenpotts
prägte lange das Bild des Reviers. Städtewerbung und regionale
Imagekampagnen setzten seit den 1980er Jahren Bilder von grünen und
dynamischen Städten dagegen. Plakate und Imagebroschüren zeugen von den
breit angelegten Kampagnen „Ein starkes Stück Deutschland“ und „Der Pott
kocht“, mit denen der Kommunalverband Ruhrgebiet für ein neues,
gemeinsames Image der Region warb.

Fußball und Ruhrgebiet gehören für viele Menschen einfach zusammen.
Viele Fußballvereine im Ruhrgebiet berufen sich auf eine tiefe
Verwurzelung im Arbeiter- und Bergbaumilieu. Dies spiegelt sich in der
Fankultur des Reviers, aber auch im Marketing der Vereine wider, wie die
ausgestellten Artikel – von der Knappenkarte bis zur Pöhlerkappe –
zeigen. Bier und Currywurst gelten als typisch für das Ruhrgebiet. Mit
der Entstehung der Großbrauereien in der Region entwickelte sich der
Dreiklang von Kohle, Stahl und Bier im Revier. Heute werben die
Brauereien im Ruhrgebiet mit ihrer Verbundenheit zur Region – dafür
steht nicht zuletzt das Dortmunder „Bergmann Bier“. Mit Flaschen,
Werbeschildern und „Ruhrpott-Curry-Ketchup“ setzt die Ausstellung die
kulinarische Seite des Reviers in Szene.

Vom Schlager bis zum Gangsta-Rap: Die Musikszene des Ruhrgebiets bedient
sich in ihren Liedtexten über alle Genres hinweg der gängigen Symbole
und Klischees des Reviers. Die Schlagermusik der 1990er-Jahre und die
Rapmusik des 21. Jahrhunderts haben dem Ruhrgebiet in Songtexten große
Popularität beschert. Museumsleiter Osses: „Das Steigerlied nimmt heute
oft die Bedeutung einer Hymne der Region ein – bei bergmännischen Feiern
genauso wie in den Fußballstadien. In der Rap-Musik dreht sich dagegen
alles um den Ruhrpott“.

Ob Bergmann mit Mutterwitz, schrulliger Rentner oder prolliger Angeber
mit dem Herz am rechten Fleck: Film und Comedy aus dem Ruhrgebiet
greifen die Klischees und Stereotypen des typischen „Ruhris“ auf,
vertiefen und variieren sie. Der Nachwuchswettbewerb „Tegtmeiers Erben“
entwickelt aus der Tradition der Ruhrgebietscomedy neue Formen und
Formate. Die Siegertrophäe des Wettbewerbs, eine Tegtmeier-Mütze aus
Bronze, ist in der Ausstellung ebenso zu sehen wie der Förderwagen des
„Steigers“ aus der Ruhrgebietscomedy „Geierabend“.

Die Folklorisierung des Ruhrgebiets zeigt sich heute in einer Vielzahl
von Andenken und Souvenirs. Ob Kaffeebecher, T-Shirt oder Pantoffeln –
viele Objekte zeigen Symbole des Bergbaus und der Region. „Die
Bandbreite reicht von der nostalgischen Verklärung des Bergbaus bis hin
zur künstlerischen Bearbeitung der Skyline des neuen Ruhrgebiets als
Ruhrpott mit Industriedenkmalen und Landmarken“, erläutert Lisa Weißmann.

Glückauf Zukunft
Die Ausstellung „Revierfolklore“ gehört zu einer Reihe von
Ausstellungen, die das LWL-Industriemuseum 2018 unter dem Dach der
Initiative „Glückauf Zukunft!“ zum Ende des Steinkohlenbergbaus an
seinen fünf Standorten im Ruhrgebiet präsentiert. „Wir greifen diese
Zäsur in Ausstellungen unter ganz unterschiedlichen Blickwinkeln auf“,
erklärt Dirk Zache, Direktor des LWL-Industriemuseums. Die bereits
eröffnete Schau „RevierGestalten“‚ auf der Zeche Zollern in Dortmund
richtet den Blick auf Orte und Menschen des Reviers und zeigt, wie sie
den Strukturwandel mitgestaltet haben. Frauen im Bergbau hat Dariusz
Kantor in Oberschlesien fotografiert. Seine Bilder sind zur Zeit auf der
Zeche Nachtigall zu sehen. Unter dem Titel „Laden und Löschen“
präsentiert das Schiffshebewerk Henrichenburg ab dem 25. März auf dem
Schleppkahn „Ostara“ historische und aktuelle Fotos aus den Häfen im
Ruhrgebiet. „Schließlich zeigen wir ab Oktober mit eindrucksvollen
Luftbildaufnahmen des international renommierten Fotografen J. Henry
Fair die Narben der Industrie, die Zerstörung der Natur durch die Suche
nach Rohstoffen oder die Produktion von Industrie- und Massengütern“,
kündigt Zache an.

Eröffnung
Bei der Eröffnung der Ausstellung am Freitag (23.3.) um 19 Uhr begrüßt
Michael Pavlicic, stellvertretender Vorsitzender der
LWL-Landschaftsversammlung, die Gäste. Eine Einführung geben die
Kuratoren Dietmar Osses und Lisa Weißmann. Für die musikalische
Begleitung sorgen Thomas Döller (Kohle-Titan-Bassflöte) und Jürgen
Schwalk (Gitarre). Der Eintritt ist frei.

Begleitprogramm
Fr, 6.4. – So, 8.4.
Heimat und Fremde im Revier. Theater-Workshop für Jugendliche in
Zusammenarbeit mit dem Jungen Schauspielhaus Bochum. Anmeldung bis 26.3.
unter Tel. 0231 6961-236. Abschlusspräsentation So (8.4.), 17 Uhr

So, 22.4. | 16 Uhr
Der sagenhafte Bergbau. Bergbausagen erzählt mit Klang und Musik für
jung und alt. Mit Jessica Burri, Sopran und Dulcimer.
Begleitveranstaltung zur Ausstellung „Revierfolklore“. Eintritt frei

So, 29.4. | 16 Uhr
„Kohle, Bier und Fußball“. Die Traditionsgeschichte des Ruhrgebiets.
Offene Führung durch die Sonderausstellung „Revierfolklore“
Do, 3.5. | 18.30 Uhr
Schlägel und Eisen, Steigerlied, Knappenvereine: Bergmännische Symbole
und Traditionen im Ruhrrevier. Vortrag und Gespräch mit Kuratorin Lisa
Weißmann

So, 27.5. | 16 Uhr
„Glückauf, der Steiger kommt“. Traditionen und Folklore im Ruhrgebiet.
Offene Führung durch die Sonderausstellung „Revierfolklore“
Do, 14.6. | 18.30 Uhr
Vom Kohlenpott zur Metropole Ruhr. Struktur, Image und Selbstverständnis
des Ruhrgebiets im Wandel. Vortrag und Gespräch mit Kurator Dietmar Osses
So, 24.6. | 16 Uhr
„Schicht im Schacht“. Was war, was ist, was bleibt vom Revier in der
Zukunft? Offene Führung durch die Sonderausstellung „Revierfolklore“

So, 29.7. | 16 Uhr
„Bade-Ente mit Schlägel und Eisen“. Ruhrgebietssymbole in der populären
Alltagskultur. Offene Führung durch die Sonderausstellung „Revierfolklore“

Katalog
Revierfolklore. Zwischen Heimatstolz und Kommerz. Das Ruhrgebiet am Ende
des Bergbaus in der Populärkultur. Hg. LWL-Industriemuseum, Dietmar
Osses und Lisa Weißmann. 272 Seiten, Essen 2018, ISBN 978-3-8375-1957-0.
19,95 Euro

Veranstaltungsort:
LWL- Industriemuseum Zeche Hannover
Günnigfelder Straße 251, 44793 Bochum
Geöffnet Mi-Sa 14-18 Uhr, So und an Feiertagen 11-18 Uhr
www.lwl-industriemuseum.de