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Ausstellung
Erich Grisar – Ruhrgebietsfotografien 1928-1933

24. Februar bis 8. Oktober 2017

Erich Grisar – Ruhrgebietsfotografien 1928-1933
Ausstellung im LWL-Industriemuseum Zeche Zollern

Schwarz-weiß-Fotografien von Erich Grisar aus dem Revier der späten
1920er und frühen 1930er Jahre zeigt der Landschaftsverband
Westfalen-Lippe (LWL) vom 24. Februar (Eröffnung 18 Uhr) bis zum 8.
Oktober in seinem Industriemuseum Zeche Zollern in Dortmund. Ergänzt
wird die Präsentation durch Bilder anderer zeitgenössischer Fotografen
sowie Arbeiten von Schülern aus der Dortmunder Nordstadt, die sich mit
Fotoapparat, Kamera und Mikrophon zu Orten und Menschen ihres
Stadtbezirks begeben haben.

Die Aufnahmen des Dortmunder Schriftstellers und Fotografen Erich Grisar
entstanden überwiegend in seiner Heimatstadt. Sie zeigen den städtischen
Alltag, die harte körperliche Arbeit und die Siedlungen mit den
mächtigen Industrieanlagen im Hintergrund. „Die Aufnahmen erlauben eine
einmalige Innensicht des Reviers und dokumentieren ein wichtiges Stück
Ruhrgebiets-Geschichte. Die Zeche Zollern befand sich zu jener Zeit in
ihrer Hochphase. Insofern könnte dieser Ort für die Präsentation kaum
passender sein“, erklärte Dirk Zache, Direktor des LWL-Industriemuseums
am Donnerstag (23.2.) bei der Vorstellung der Ausstellung in Dortmund.

Die Schau ist Ergebnis eines Kooperationsprojektes von Ruhr Museum,
LWL-Industriemuseum, LWL-Literaturkommission, Fritz-Hüser-Institut,
Stiftung Geschichte des Ruhrgebietes und Stadtarchiv Dortmund. Dort
lagert der umfangreiche fotografische Nachlass Grisars – insgesamt über
4200 Negative und Glasplatten, wovon 1500 im Ruhrgebiet entstanden sind.
„Das ist ein wahrer fotografischer Schatz für unsere Stadt und die
gesamte Region. Wir sind froh, dass wir einen Teil dieses Schatzes im
Rahmen der Kooperation jetzt der Öffentlichkeit präsentieren können“, so
der Dortmunder Kulturdezernent Jörg Stüdemann. Für das
Gemeinschaftsprojekt wurde dieser Bestand erstmals ausgewertet. Die
„größte Entdeckung“ waren für Dr. Stefan Mühlhofer die genau
beobachteten Szenen auf der Straße: „Vor allem die Motive mit spielenden
und arbeitenden Kindern nehmen den Betrachter gefangen“, sagte der
Leiter des Stadtarchivs.

Für die Ausstellung wurde eine Auswahl von knapp 200 Fotos getroffen,
die unter den Überschriften „Städtisches Leben“, „Kindheit“ sowie
„Arbeit und Alltag im industriellen Ballungsraum“ präsentiert werden.
Stefanie Grebe vom Ruhr Museum, wo die Schau 2016 zu sehen war, hebt die
„enorme ästhetische Kraft und Qualität“ der Aufnahmen und die Nähe
zwischen Fotograf und Motiven hervor. „Die Bilder sind geprägt von einem
empathischen Blick für die Menschen und auch deshalb noch heute so
faszinierend für uns“, betonte die Kuratorin.

Parallel zu den Ruhrgebietsfotografien Erich Grisars zeigt ein
ergänzender Ausstellungsbereich, wie andere zeitgenössische Fotografen,
darunter Heinrich Hauser, Heinrich Zille und August Sander, das
Arbeitermilieu gesehen haben. „Die Beispiele zeigen deutlich, wie sich
der Tiefenblick Grisars ins Milieu von dem der anderen Fotografen, die
großenteils aus anderen Regionen Deutschlands stammten und einen
bürgerlichen Hintergrund hatten, unterscheidet. Grisar kannte die Härten
und Eigenheiten des Lebens im Ruhrgebiet aus erster Hand“, unterstrich
Museumsleiterin Dr. Anne Kugler-Mühlhofer.

Zu sehen sind außerdem Arbeiten von 150 Kindern und Jugendlichen aus
vier Schulen der Dortmunder Nordstadt (Kielhornschule,
Gertrud-Bäumer-Realschule, Anne-Frank-Gesamtschule und
Rheinisch-Westfälische Realschule). Sie haben sich gemeinsam mit
Museumspädagogin Annette Kritzler über mehrere Wochen mit der Welt der
1920er Jahre auseinandergesetzt, um anschließend mit Fotoapparat, Kamera
und Mikrophon Orte und Menschen ihres Stadtbezirks zu porträtieren. Mit
ihren Bildern und Videointerviews zeigen sie ein persönliches Bild ihrer
Lebenswelt.

Hintergrund
Erich Gisar (1898 – 1955) hat gezielt Themen aus dem Arbeitermilieu
fotografiert, zu denen er zeitlebens auch schriftstellerisch gearbeitet
hat. Er interessierte sich für das Leben in der Stadt, für den Alltag in
den Siedlungen mit den mächtigen Industrieanlagen im Hintergrund, für
die harte körperliche Arbeit und die technischen Fertigkeiten der
unterschiedlichen Berufsgruppen. Er wusste, wovon er in seinen Bildern
erzählt, weil er Milieus zeigt, in denen er groß geworden war und zu
denen er profunde Kenntnisse besaß. Grisar stammte aus proletarischem
Hause, war Sozialdemokrat und Guttempler. In der Endphase der Weimarer
Republik fotografierte und verfasste er als Autodidakt Sozialreportagen,
die in der Tagespresse oder in Zeitungen des linken Spektrums
veröffentlicht wurden. Er wollte als Schriftsteller zwischen den Klassen
vermitteln, als Fotograf konnte er dieses Anliegen weiter verwirklichen.

Neben den Fotografien kommen im Rahmen des Kooperationsprojektes auch
Grisars Texte zu neuer Geltung. „Es bot sich geradezu an, parallel zur
Ausstellung die Aufarbeitung seines literarischen Werkes zu beginnen“,
sagte Hanneliese Palm, Leiterin des städtischen Fritz-Hüser-Instituts
für Literatur und Kultur der Arbeitswelt, wo der Nachlass Erich Grisars
aufbewahrt wird. So erschien im Klartext-Verlag neben dem
Ausstellungskatalog auch das Reisetagebuch Erich Grisars „Mit Kamera und
Schreibmaschine durch Europa“. Die LWL-Literaturkommission für Westfalen
gab zudem drei Schriften des Dortmunder Autors heraus, darunter der
erstmals aus dem Nachlass edierte Roman „Ruhrstadt“ (Aisthesis Verlag).
Darin wird eindrücklich das Dortmund der 1920er Jahren beschrieben – die
„literarische Ergänzung“ zur Ausstellung.

Eröffnung
Bei der Eröffnung der Ausstellung am Freitag (24.2.) um 18 Uhr begrüßt
Dieter Gebhard, Vorsitzender der LWL-Landschaftsversammlung, die Gäste.
Nach einem Grußwort von Oberbürgermeister Ullrich Sierau gibt der Leiter
des Ruhr Museums, Prof. Heinrich Theodor Grütter, eine Einführung in die
Ausstellung. Für den musikalischen Rahmen sorgt Barbara Kleyboldt mit
Liedern von Bertolt Brecht.

Publikationen
Erich Grisar. Ruhrgebietsfotografien 1928-1933. Hg. von Henrich Theodor
Grütter, Stefan Mülhofer. 224 Seiten, reich bebildert. Klartext-Verlag
Essen 2016, ISBN 978-3-8375-1404-9.
19,95 Euro

Mit Kamera und Schreibmaschine durch Europa. Bilder und Berichte von
Erich Grisar. Hg. Andrea Zupancic. 224 Seiten, reich bebildert.
Klartext-Verlag Essen 2016, ISBN 978-3-8375-1405-6. 24,95 Euro

Veranstaltungsort:
LWL-Industriemuseum Zeche Zollern
Grubenweg 5, 44388 Dortmund
Geöffnet Di-So 10-18 Uhr
www.lwl-industriemuseum.de