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4. Identitätskonstruktionen für das Ruhrgebiet seit den 1970er-Jahren
Freitag, 8. April 2022, 14:15 – 16:45 Uhr
Workshop: *Identitätskonstruktionen für das Ruhrgebiet seit den
1970er-Jahren*
Auch im zweiten Jahr nach der Schließung der letzten Zeche im Ruhrgebiet
und einem guten halben Jahrhundert Strukturwandel ist der
Steinkohlenbergbau in der Region allgegenwärtig. Neben einer Vielzahl
von Industriedenkmälern erinnern im Ruhrgebiet zahlreiche weitere
materielle und immaterielle Hinterlassenschaften, aber auch
verschiedenste an die lokale Geschichte angelehnte Alltags- und
Konsumartikel an die montanindustrielle Vergangenheit der Region. Nudeln
in Form eines Fördergerüsts sind ebenso im Handel zu finden wie
Quietscheentchen im Bergmannsoutfit oder schwarze Kumpel-Seife in Form
eines Kohlestücks. In zahlreichen Dokumentationen und Publikationen wird
an die Vergangenheit des Reviers erinnert und nicht nur Politiker
stilisieren sich gern als Teil der Gruppe hart arbeitender, einfacher
und ehrlicher Menschen, die die Region groß gemacht haben und deren
Tugenden in der Erinnerung an die Blütezeit der Region weitergetragen
werden.
Soweit der oberflächliche Blick auf die regionale Folklore, die
bestimmte Ideen einer gemeinsamen regionalen Identität vermittelt. Doch
schaut man genauer hin, bleibt die Identität des Ruhrgebietes und seiner
Bewohner/innen jenseits der Stereotype von Schimanski und
Pommes-Currywurst merkwürdig unbestimmt. Es scheint als habe der
schrumpfende traditionelle montanindustrielle Führungssektor hier ein
Vakuum hinterlassen, das von der folkloristischen Hülle umschlossen
wird. Wir möchten in einem Workshop nach der Existenz von Identitäten
abseits von Bergbau und Stahlindustrie fragen. Hierbei soll die
Konstruktion der vordergründig sichtbaren und der versteckten
Identitäten im Ruhrgebiet untersucht und die Entstehung vor dem
Hintergrund des Strukturwandels seit den 1970er Jahren kontextualisiert
werden.
8. April 2022
*Vorstellung und Diskussion der These: Bestimmte Akteursgruppen fördern
die Pluralität von Identitäten*
Religiöse Akteure dienen als spezifische Identitätsagenturen und -anker
im Ruhrgebiet. Auch andere gemeinschaftsstiftende Akteure wie
Fußballvereine leisten ähnliches. Beide Gruppen greifen die in der
Region existierenden Narrative auf. Hierdurch wird vielen Menschen ein
Identitätsanker geboten, der sie mittelbar an die Kern-Identität der
Region bindet. Das Bistum Essen z. B. konstruiert sich seit seiner
Gründung 1958 um den Mythos des katholischen Arbeiterbistums, hat sich
in seinem neuen Zukunftsbild aber insbesondere auch Nicht- und
Andersgläubigen geöffnet. Auch die Fußballvereine inszenieren sich unter
Berufung auf die industrielle Vergangenheit der Region als
Arbeitervereine und bemühen an vielen Stellen das Bild der hart
arbeitenden solidarischen Kumpel. Religion und Sport versuchen zugleich
durch ihr Handeln Identitätsangebote vor Ort auszuweiten, so einen
Identitätspluralismus zu schaffen und damit auch Gruppen zu integrieren,
die in anderen Konstruktionsprozessen nicht angesprochen wurden. Eine
eingeschränkte öffentliche Sichtbarkeit, der Kreis der Mitwirkenden und
spezifische interne Entwicklungen – beispielsweise
Säkularisierungsprozesse – begrenzen ihre gesamtgesellschaftliche
Reichweite in regionalen Identitätsfragen jedoch zugleich. Zu
diskutieren wäre, inwieweit aus diesen gemeinsamen Leitbildern ein
überkommunales, regionales Zusammengehörigkeitsgefühl erwächst.
*Referent:innen*: Lea Torwesten, David Rüschenschmidt, Julia Wambach
Anmeldung unter ws-identitaeten-ruhrgebiet-2021@rub.de
Programm insgesamt unter Workshop: Identitätskonstruktionen für das
Ruhrgebiet seit den 1970er-Jahren (ruhr-uni-bochum.de)