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Wissen und Umwelt

12. bis 14. September 2018

Der Vorstand der Gesellschaft für die Geschichte der Wissenschaften, der
Medizin und der Technik (GWMT) lädt ein zu Vortrags- und
Sektionsanmeldungen für die zweite Jahrestagung der Gesellschaft in
Bochum mit dem Rahmenthema:
WISSEN UND UMWELT

„Umwelt“ ist keine Kategorie, die mit einer „gegebenen Natur“
gleichzusetzen wäre. Sie wird durch Wissen, Technik und
wissenschaftlich-technische Praxen geformt und durch soziale und
kulturelle Prozesse mitgestaltet. Als solche gerät sie zunehmend in den
Fokus neuer interdisziplinärer Forschungsansätze, was auch der großen
gesellschaftlichen und politischen Relevanz der gegenwärtig zu
beobachtenden globalen Entwicklungen geschuldet ist. Der Klimawandel
zwinge die Geschichtswissenschaft zu nicht weniger, als die Prämissen
ihrer Disziplin zu überdenken, forderte Dipesh Chakrabarty in einem
vieldiskutierten Essay bereits 2009. Gerade die historische,
philosophische und sozialwissenschaftliche Wissenschafts- und
Technikforschung hat indes in den letzten Jahren eine Vielzahl
innovativer Forschungsprojekte zu diesem Themenfeld vorgelegt.

Die zweite Jahrestagung der GWMT nimmt diese Forschungsdynamik zum
Anlass, Fragen nach dem Verhältnis von „Wissen und Umwelt“ in einem
weitgefassten historischen, epochenübergreifenden und transkulturellen
Reflexionsrahmen aufzuwerfen. Sie möchte ein Forum bereitstellen, um die
unterschiedlichen Forschungsansätze und Perspektiven der letzten Jahre
miteinander ins Gespräch zu bringen und den gegenwärtigen
Forschungsstand insbesondere in Hinblick auf die Wissenschafts-,
Technik- und Medizingeschichte im deutschsprachigen Raum weiter zu
profilieren. Aus einer methodisch vielfältigen und die verschiedenen
fachlichen Zugänge der GWMT möglichst integrierenden Perspektive soll
den vielfältigen Beziehungen von Mensch und Umwelt, dem sich wandelnden
Wissen über und dem technischen und gesellschaftlichen Umgang mit
Umwelten nachgegangen werden. Drei übergreifende Themenbereiche sind
dabei besonders angesprochen:

_Umweltwissen zwischen Natur und Kultur

Wie wirkte sich der durchgreifende Wandel der Wissenskulturen und
Wissenschaftssysteme auf den Wandel und die Aneignung sozio-naturaler
Räume aus? Welche Rolle spielten Wissenschaft, Medizin und Technik in
kulturell und historisch spezifischen Umweltdiskursen? Welche Rolle kam
den Geisteswissenschaften zu? Hier gilt es den Blick auf die technische
Gestaltung von „Natur“ zu richten, aber auch auf die historisch sich
wandelnden Auffassungen vom Organismus, vom Subjekt oder Individuum und
damit verbundenen Konzepten von sowohl sozialen als auch naturalen
„Milieus“. Von der Geschichte der Verhaltensbiologie und Ökologie, der
Toxikologie bis zur Geschichte der Pädagogik und der Soziologie verfügen
Wissenschafts- und Wissensgeschichte über verschiedenste
Forschungszugänge zu diesen Fragen. Auch medien- und
literaturwissenschaftliche Forschungsansätze haben sich in den letzten
Jahren zunehmend der Geschichte der Medialität in Ökologie und
Umweltwissen bzw. der Darstellung von Umweltwissen in Literatur und
Kultur angenommen. Mit dem /Ecocriticism/ und den /Environmental
Humanities/ sind boomende Forschungsfelder an den Schnittlinien der
Disziplinen entstanden. Nicht zuletzt sind die Relationen von Mensch und
Umwelt seit Langem schon ein zentrales Thema für Medizin- und
Körpergeschichte.

_Perspektiven der (neueren) Technik- und Umweltgeschichte

Wie veränderten sich natur- und technikwissenschaftliche Zugänge zur
Natur in den Jahrhunderten und durch welche gesellschaftlichen und
kulturellen Transformationsprozesse wurden diese Entwicklungen
angetrieben? Welche gesellschaftlichen Reflexionsdiskurse,
Umweltdebatten und soziale Bewegungen flankierten diese Prozesse in
verschiedenen Epochen? Welche Dynamiken in der Interaktion von
Wissenschaft, Technik, Gesellschaft und Politik, etwa im Bereich von
Expertise und Regulierung oder im Umgang mit Ressourcen und Materialien,
lassen sich bereits vor den Klimadiskursen des 20. Jahrhunderts
historisch identifizieren? Wie können dabei die historisch spezifischen
Relationen von lokalen und globalen Dimensionen fokussiert werden? Der
Wandel des Mensch-Natur-Verhältnisses seit der der Antike, die
Untersuchung der Folgen der verschiedenen historischen Phasen der
Industrialisierung und die anthropogenen Veränderungen von globalen
Ökosystemen sind spätestens seit den achtziger Jahren grundständige
Bereiche der Technik- und Umweltgeschichte. Eines der medial zentralen,
aber auch kontroversen Konzepte der letzten Jahre ist das des
„Anthropozäns“. Was ergibt sich aus der Anthropozändebatte für die
Technik- und Umweltgeschichte? Welche neuen Narrative und Temporalitäten
geraten in den Blick, wenn geologische und menschliche Zeiten auch
historiografisch miteinander verknüpft werden? Hier gilt es, ältere
Forschungsfragen und Befunde in Hinblick auf die aktuellen
/Environmental Studies/ zu reflektieren und das komplexe Verhältnis von
Mensch, Wissen, Technik und Natur über die Epochengrenzen hinaus in den
Blick zu nehmen.

_Historisch-epistemologische Analyse __von Begriffen, Modellen und Praktiken

Wissenschafts-, Medizin- und Technikgeschichte übergreifende Fragen
betreffen auch die Geschichte von Konzepten und Praktiken. Wie wurden
„naturale“ und „anthropogene“ Umwelten historisch als solche erst
konzipiert und in welcher Art gestaltete sich Wissen als „Umweltwissen“?
Welche wissenschaftlichen und kulturellen Praktiken liegen diesen
wissenschaftlichen Wissensbeständen zugrunde und welche wurden durch sie
befördert? Welche Modelle, Theoreme und Begriffe haben den
wissenschaftlich-technischen Zugang und das Wissen über Umwelt
historisch spezifisch geprägt und wie haben sich diese
historisch-epistemologisch gewandelt? Wie lässt sich der Umweltbegriff
aber auch reziprok auf die Kategorie des „Wissens“ beziehen? Über die
Diskussion von ideen-, bzw. begriffsgeschichtlichen und praxeologischen
Ansätzen der historischen und philosophischen Wissenschaftsforschung der
letzten Jahre hinaus gilt es hier auch nach dem Beitrag der
Wissenschafts-, Medizin- und Technikgeschichte für die derzeit aktuellen
Diskussionen zu fragen.

Willkommen sind sowohl Vorschläge zu Einzelvorträgen als auch zu
Sektionen. Diese sollten in der Regel in 30-Minuten-Einteilung angelegt
sein, können aus drei oder vier Vorträgen bestehen (bei drei Vorträgen
in der Regel mit Kommentar) und sollten genügend Zeit für die Diskussion
einplanen. Vorschläge für andere Sektionsformate werden mit Interesse
geprüft.

Vorschläge für Einzelvorträge sind mit Abstracts (max. 1 Seite)
einzureichen; bei Sektionen sind die Abstracts der Einzelbeiträge und
eine Zusammenfassung einzureichen. Die Beteiligung junger
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist ausdrücklich erwünscht. Bei
gleicher Qualität werden Sektionen, die akademische Generationen
überspannen, bevorzugt. Der Vorstand möchte darauf hinweisen, dass auch
Raum vorgesehen ist für Vorträge und Sektionen, die sich nicht auf das
Rahmenthema beziehen.

Vorschläge sind (vorzugsweise per Email) bis zum 31. März 2018 zu
richten an den Schriftführer der GWMT:
PD Dr. Alexander v. Schwerin
Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte
Boltzmannstraße 22, 14195 Berlin
Email: schwerin@mpiwg-berlin.mpg.de