Mailingliste

Vortrag
Das Jahr 1919 in Bottrop und im Ruhrgebiet. Arbeiterstreiks

Freitag, 20. Oktober 2023, 18:00 – 20:00 Uhr

Vortrag: *Das Jahr 1919 in Bottrop und im Ruhrgebiet. Arbeiterstreiks,
Räte und Freikorps*
Referent: Sahin Aydin, Bottrop

Zu Beginn des Jahres 1919 war aller konterrevolutionären Bestrebungen
und Weichenstellungen zum Trotz noch nicht entschieden, wie sich die
Revolution in Deutschland, die im November des Vorjahres begann,
weiterentwickeln würde. Das Frühjahr 1919 erlebte reichsweit starke
Streikbewegungen, besonders im Ruhrgebiet, in Berlin und in
Mitteldeutschland. Der Historiker Axel Weipert spricht von einer
„Zweiten Revolution“, um die Qualität und Dimension der Ereignisse
angemessen zu beschreiben.

Die Streikenden forderten im Besonderen Sozialisierungen im Bergbau,
deutlich höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen, aber auch die
Anerkennung des Rätesystems, die Demokratisierung des Militärs
(Hamburger Punkte) und die Auflösung der paramilitärischen, oft
prä-faschistischen Freikorps, die immer wieder zur blutigen
Niederschlagung von Arbeitskämpfen und Protesten eingesetzt wurden. Im
Ruhrgebiet hatte sich zudem eine starke Rätebewegung entwickelt, die
sich zumeist auf die Unterstützung der Arbeiterparteien und Soldatenräte
stützen konnte.

An der ersten Streikwelle im Januar und Februar 1919 beteiligten sich im
Ruhrgebiet u. a. in Sterkrade, Duisburg, Essen, Hamborn, Gelsenkirchen
und Dorsten rund zweihunderttausend Bergarbeiter. Bei der zweiten
Streikbewegung Anfang April gingen noch mehr Arbeiter in den Ausstand.
Bottrop bildete bis zur Niederschlagung durch Freikorps ein Zentrum der
Streiks. Aber noch vor dem Einmarsch der Truppe griff am 18. Februar
eine sozialdemokratische Sicherheitswehr des lokalen Arbeiter- und
Soldatenrates die Streikenden auf den Zechen Prosper I und II an. Ein
Streikender kam ums Leben. Weitere zwanzig Streikenden wurden im Rathaus
inhaftiert. Am folgenden Tag ereignete sich der bis heute wenig bekannte
Rathaussturm. Mit dem Ziel die Gefangenen zu befreien griffen bewaffnete
Arbeiter das Rathaus an. Der Hergang und die Deutung der damaligen
Ereignisse, in deren Folge Alois Fulnezek, ein Sprecher der Arbeiter von
Freikorpsangehörigen ermordet wurde, ist umstritten. Unstrittig ist
hingegen die brutale Unterdrückung der Streikbewegungen im gesamten
Ruhrgebiet vor und während der Verhängung des Belagerungszustandes durch
die sozialdemokratische Reichsregierung.

Der Lokalhistoriker Sahin Aydin ordnet diese und weitere Ereignisse des
Frühjahrs 1919 in den zeithistorischen Kontext sowie in die
gegenwärtigen erinnerungspolitischen Debatten ein und präsentiert eine
quellennahe Interpretation der Geschichte Bottrops und des Ruhrgebiets
in der „Zweiten Revolution“.

*Veranstaltungsort*
AWO Duisburg Marxloh International
Duisburger Str. 241, 47166 Duisburg