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Neuerscheinung
Forum Geschichtskultur Ruhr
Emscher, **Regionalverband Ruhr/Referat Sport, Kultur und
Industriekultur**, Ruhr Museum, Stiftung Geschichte des Ruhrgebiets,
Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur (Hg.): FORUM
GESCHICHTSKULTUR RUHR, Heft 2/23: Soziale Ungleichheit im Ruhrgebiet.
Redaktion: Susanne Abeck und Nancy Bodden, Klartext Verlag, Essen 2023,
120 Seiten, zahl. Ill., ISSN 1436-7661, 9,00 € *
Laut aktuellem Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbands lebten
2021 19,2 Prozent der Menschen in NRW unter der Armutsgrenze (im
Bundesdurchschnitt waren es 16,9 Prozent), wobei die Städte Dortmund,
Duisburg und Essen mit über 22 Prozent die traurigen Spitzenplätze
einnahmen. Soziale Ungleichheit als eine Frage von Verteilung und
Chancen geht jedoch über Einkommen und Vermögen und damit über eine rein
materielle Dimension hinaus. Hinzu kommt die kulturelle (Bildung,
ethnische Gruppenzugehörigkeit), die soziale (familiär-gesellschaftliche
Netzwerke, Prestige) und die subjektive (Gesundheit, Selbstwirksamkeit)
Dimension. Diese Multidimensionalität ist in diesem Heft mit sieben
Beiträgen abgebildet.
Während Klaus Peter Strohmeier und Volker Kersting in ihrem mehr
soziologisch denn historisch ausgerichteten Beitrag auf die „riskante
Relegation“ blicken und auf die Situation derjenigen Kinder und
Jugendlichen eingehen, die sowohl räumlich als auch sozial am Rand der
Ruhrgebietsgesellschaft stehen, stellt Arnold Maxwill eine Auswahl an
Autoren und Autorinnen vor, die sich zwischen 1899 und 1984 mit den
verschiedenen Dimensionen sozialer Ungleichheit im Ruhrgebiet
literarisch auseinandergesetzt haben.
Die Region als ein besonderer Sozialraum, in dem die Aufstiegs- bzw.
Fallhöhe zwischen den Gesellschaftsschichten schwächer als heutzutage
ausgeprägt war, tauchte in vier der 22 Folgen der ersten bundesdeutschen
Fernseh-Krimiserie STAHLNETZ auf (1958 bis 1968), die Peter Ellenbruch
näher betrachtet. Caner Tekins beschreibt die Rolle türkeistämmiger
Vereine im Ruhrgebiet in dem 1974 geführten Kampf gegen die
Geldkürzungen für die im Ausland lebenden Kinder und führt damit ein
Beispiel für die enge Verbindung von Selbstorganisation bzw.
-ermächtigung und sozialer Teilhabe an. Anne Niezgodka beleuchtet die
subjektive Dimension von sozialer Ungleichheit, indem sie den im archiv
für alternatives schrifttum (afas) deponierten Nachlass des Duisburger
Arztes und Umweltaktivisten Michael Lefknecht vorstellt, der Ende der
1980er Jahre zu den Initiatoren der Duisburger Bürgerinitiative gegen
Umweltgifte zählte. Eine (theoretisch) öffentlichkeitswirksame Form des
Protests gegen soziale Ungleichheit zeigt sich in den Arbeiten der
Fotografen und Fotografinnen, die sich z. T. seit Jahrzehnten mit
Kinderarbeit, Armut, Gewalt, Flucht/Migration, Obdachlosigkeit und
Einschränkungen anderer Art beschäftigten und die Peter Liedtke vorstellt.
Anne Schlüter, die bereits in den 1990er Jahren zu sozialer
Ungleichheit, Geschlecht und Bildung geforscht hat, gibt einen Überblick
über intersektional erweiterte Fragestellungen zu den Kategorien
Geschlecht und soziale Herkunft, und Michael Kanther hat für uns die
Dissertation der Frauenrechtlerin Li Fischer-Eckert erneut gelesen, die
kurz vor dem Ersten Weltkrieg Hamborner Arbeiterfrauen interviewt hatte.
Auch die Nachrufe geben keinen Grund zur Freude, doch möchte ich sie
Ihnen aufgrund der fundierten Rückblicke auf drei wichtige Akteure der
Geschichts- und Erinnerungskultur des Ruhrgebiets ebenso zur Lektüre
empfehlen wie die fünf interessanten Beiträge und zahlreichen
Ausstellungshinweise.
/Editorial/
Susanne Abeck
Das Inhaltsverzeichnis des Heftes finden Sie hier
<www.geschichtskultur-ruhr.de/wp-content/uploads/Inhaltsverzeichnis_FGR_2023-2.pdf>.