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Nachruf
Prof. Dr. Bernd Faulenbach

Nachruf: Prof. Dr. Bernd Faulenbach, 3.11.1943 – 15.06.2024

Bernd Faulenbach ist am vergangenen Samstag, dem 15. Juni, im Alter von
80 Jahren verstorben. Die Geschichtskultur des Ruhrgebiets verliert
einen engagierten Historiker, der die Ruhrgebietsgeschichte nicht nur
zum Forschungsgegenstand machte, sondern auch als Vortragender in
Volkshochschulen, auf historisch-politischen Veranstaltungen sowie als
Publizist – u. a. auch im Forum Geschichtskultur Ruhr – in
demokratisch-aufgeklärter Absicht reflektierte. Nicht zu vergessen ist
seine engagierte Lehrtätigkeit zunächst als wissenschaftlicher
Mitarbeiter und dann als Honorarprofessor (1993) an der Ruhr-Universität
Bochum, wo seit den 1970er Jahren mehrere Generationen von
Geschichtslehrern und -lehrerinnen bei ihm studierten.

Geboren am 3. November 1943, zog die neugegründete Ruhr-Universität
Bochum Bernd Faulenbach ins Ruhrgebiet. Hier promovierte er 1977 mit der
zu einem wissenschaftlichen Standardwerk gewordenen Dissertation
„Ideologie des deutschen Weges. Die deutsche Geschichte in der
Historiographie zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus“. Als
wissenschaftlicher Assistent arbeitete er bis 1981 am Lehrstuhl von Hans
Mommsen, um dann von 1982 bis 2007 am Forschungsinstitut für
Arbeiterbildung (zuletzt: Forschungsinstitut Arbeit, Bildung,
Partizipation) in Recklinghausen zu wirken. Schwerpunkte seiner dortigen
projektbezogenen Forschungen zur Sozial- und Zeitgeschichte sowie zur
Didaktik der Erwachsenenbildung waren u. a. der Zusammenhang von
Mitbestimmung und politischer Kultur im Ruhrgebiet, zur
Betriebsgeschichte aus der Perspektive von Arbeitnehmererfahrungen, zur
Verschränkung von Gegenwartserfahrung und Geschichtsbewusstsein sowie
zum demokratischen Selbstverständnis der Arbeiter- und
Erwachsenenbildung seit dem Kaiserreich. An der RUB lehrte er zeitgleich
(und bis heute) als Professor für Zeitgeschichte insbesondere zur
Geschichte der politischen Parteien im 19. und 20. Jahrhundert sowie zur
deutsch-deutschen Geschichte nach 1945. Begleitet war diese
wissenschaftliche Arbeit von vielen Publikationen.

Neben zahlreichen ‚Einmischungen‘ in den Historikerstreit und in
Diskussionen um die historische Einordnung der Umwälzungen von 1989/90
war er aktiv an der Ausprägung der Gedenkstätten und der diese tragende
Erinnerungskultur beteiligt. Hier prägte er als sachverständiges
Mitglied der Enquetekommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen
der SED-Diktatur“ (1992-1994) im Streit um das konkurrierende Gedenken
an die NS-Verbrechen auf der einen und das Erinnern an das
kommunistische Nachkriegsunrecht auf der anderen Seite die „geniale
Formel“ (A. Assmann): „Die Erinnerung an die SED-Diktatur darf die
Erinnerung an die NS-Diktatur nicht relativieren, aber die Erinnerung an
die NS-Diktatur darf die Erinnerung an die SED-Diktatur auch nicht
bagatellisieren.“

Seine historisch-politische Rolle für die Geschichtspolitik in der
Bundesrepublik sei nur ausschnitthaft mit einigen wenigen Tätigkeiten
angedeutet:

– Vorsitzender der Historischen Kommission beim Parteivorstand der SPD
1989-2018

– stellvertr. Vorsitzender der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der
SED-Diktatur 1998-2016

– Vorsitzender des Vereins Gegen Vergessen – Für Demokratie 2015-2020

Sein demokratisches Engagement zeigte sich zudem in einer aktiven
Parteimitgliedschaft für die Sozialdemokratische Partei Deutschlands.
Hier war er u. a. Vorsitzender der Bochumer SPD von 2001 bis 2009.

Bernd Faulenbachs geschichtskulturelles Engagement wurde 2016 mit dem
Großen Bundesverdienstkreuz geehrt.

Wichtige Herzensangelegenheiten waren ihm bis zuletzt seine
Lehrtätigkeit an der RUB und seine Vorstandstätigkeit in der „Initiative
Nordbahnhof Bochum“, die sich der Erinnerung an die deportierten
Juden/Jüdinnen und anderer Opfer des Nationalsozialismus widmet.

Mit Bernd Faulenbach verlieren wir einen bodenständigen Intellektuellen
im besten Sinne, da er mit hoher sprachlicher Differenziertheit zu
argumentieren wusste. Dies betraf den wissenschaftlichen Diskurs, das
publizistische historisch-politische Schreiben als auch das
alltagskulturelle Sprechen im ‚Ortsverein‘ und anderswo. Es war ein
Vergnügen und zugleich eine Herausforderung, mit ihm zu diskutieren,
denn er hörte immer genau zu und scheute den höflich formulierten
Widerspruch nicht. Gleichzeitig öffnete er aber auch die eigene
Argumentation kritisch-reflexiv im Gespräch. Ein Notizzettel war fast
obligatorisch zur Hand, mit dem er wichtige Gedanken des Austausches zu
fassen und festzuhalten suchte.

Den persönlich und im öffentlichen Raum gesuchten, immer integeren
‚Public Historian‘ werden wir im Ruhrgebiet und darüber hinaus sehr
vermissen.

Franz-Josef Jelich