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Justiz und Homosexualität – Schwule und Lesben in der Rechtsprechung des 20. Jahrhunderts

18. und 19. Dezember 2017

Tagung: Justiz und Homosexualität – Schwule und Lesben in der
Rechtsprechung des 20. Jahrhunderts

Durch § 175 StGB waren vom 1.1.1872 bis zum 11.6.1994 homosexuelle
Handlungen zwischen Männern unter Strafe gestellt. Die
Nationalsozialisten verschärften durch Gesetz vom 1.9.1935 die
Reichweite der Straftatbestände und die Strafandrohungen erheblich. Ca.
140.000 Verurteilungen erfolgten nach den verschiedenen Fassungen des §
175 StGB. Unzählige Männer wurden im 20. Jahrhundert auf der Grundlage
des § 175 StGB strafrechtlich verfolgt. Während der NS-Zeit kamen sie
vor Gericht, in Justizgefängnisse, Zuchthäuser oder wurden direkt in
Konzentrationslager deportiert und bezahlten den Hass oder das verquere
Pflichtbewusstsein ihrer Verfolger nicht selten mit dem Leben. Es geht
aber nicht nur um die NS-Zeit, wenn über homophobe Verfolgung durch den
Staat und seine Organe gesprochen wird. Auch in der frühen
Bundesrepublik erreichte die Verfolgung homosexueller Männer ein
ungeheures Ausmaß: Zwischen 1949 und 1969 wurden in der
bundesrepublikanischen Demokratie etwa genauso viele Männer verurteilt
wie während der NS-Diktatur – rund 50.000 Personen, nach unverändert
beibehaltenem NS-Strafrecht von 1935. Erst zwischen 1969 und 1973 wurde
das Homosexuellen-Strafrecht auf eine reformierte Grundlage gestellt,
erst 1994 vollständig beseitigt. Auch in der DDR waren männliche
homosexuelle Handlungen nach 1945/49 strafbar geblieben, wenngleich das
verschärfte NS-Strafrecht dort nur teilweise übernommen worden war;
sowohl eine mildernde Strafrechtsreform als auch die völlige Streichung
eines diskriminierenden Homosexuellen-Strafrechts (das in den letzten
zwei Jahrzehnten in der DDR auch für Frauen galt) waren in der
SED-Diktatur stets etwas früher erfolgt als in der
bundesrepublikanischen Demokratie – 1968 und 1988/89.

Erst im Jahr 2017 beschloss die Bundesregierung einen Gesetzentwurf, der
neben der Aufhebung der aufgrund von § 175 StGB ergangenen Urteile in
Bundesrepublik und DDR, sofern sie nicht infolge auch heute noch mit
Strafandrohung versehener Handlungen ergangen waren, auch eine
Entschädigung noch lebender Verurteilter vorsieht. Die
zeitgeschichtliche Aufarbeitung dieses Verfolgungsgeschehens ist erst in
den letzten Jahren auf Landesebene in Gang gekommen (Rheinland-Pfalz,
nunmehr auch Baden-Württemberg und Hessen), steht jedoch in
Nordrhein-Westfalen noch weitgehend am Anfang. Auch in der juristischen
Zeitgeschichtsforschung ist das Thema noch nicht recht angekommen. Die
Behandlung von Homosexualität durch die Justiz mit dem Schwerpunkt NRW
soll daher auf einem zweitägigen Symposium in der Justizakademie des
Landes Nordrhein-Westfalen unter Leitung von Prof. Dr. Michael Schwartz,
IfZ-München, näher beleuchtet werden. Das Symposium richtet sich
gleichermaßen an JuristInnen und HistorikerInnen.

Beitragsvorschläge werden insbesondere zu folgenden Themenbereichen erbeten:

– Die Rechtsprechung zur Strafbarkeit männlicher Homosexualität im
Kaiserreich und in der Weimarer Republik
– Die strafrechtliche Verfolgung Homosexueller in der NS-Zeit
– Zwischen Verfolgung und Rehabilitation – Die Rechtsprechung zur
Strafbarkeit männlicher Homosexualität in der Nachkriegszeit
(Schwerpunkt Westzonen/Bundesrepublik und insb. NRW, aber auch SBZ/DDR)
– Weibliche Homosexualität vor Gericht (Schwerpunkt Bundesrepublik und
insb. NRW, aber auch DDR und Österreich)

Beitragsvorschläge (max. 300 Wörter) sowie ein kurzer Lebenslauf werden
*bis zum 31. Juli 2017* erbeten an: Dirk.Frenking@jak.nrw.de

Die Übernachtung in der Justizakademie Recklinghausen und die
Reisekosten werden für die Referentinnen und Referenten der Tagung
übernommen. Die Vorträge sollen anschließend in der vom
Justizministerium NRW herausgegebenen Schriftenreihe „Juristische
Zeitgeschichte“ veröffentlicht werden. Falls Sie weitere Informationen
über die Veranstaltung sowie den konkreten Ablauf benötigen,
kontaktieren Sie bitte den Leiter der Dokumentations- und
Forschungsstelle, Herrn Richter am OLG Dirk Frenking.

Veranstaltungsort:
Justizakademie NRW Recklinghausen
Dokumentations- und Forschungsstelle „Justiz und Nationalsozialismus“
August-Schmidt-Ring 20, 45665 Recklinghausen
www.justiz.nrw/JM/haus_und_historie/zeitgeschichte/1dokustelle/index.php