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Ausstellung
Vom Streben nach Glück. 200 Jahre Auswanderung aus Westfalen nach Amerika

31. März bis 29. Oktober 2017

Vom Streben nach Glück
200 Jahre Auswanderung aus Westfalen nach Amerika

„Hier lebt man besser als in Deutschland“, berichtete 1830 der
Amerika-Auswanderer Peter Horn aus Pennsylvania in einem Brief an seine
Eltern. Wohlstand, Freiheit, Abenteuer – das waren die Hoffnungen, die
über 300.000 Menschen aus Westfalen im 19. und 20. Jahrhundert dazu
bewegten, in den USA ein neues Leben zu beginnen. Die Ausstellung „Vom
Streben nach Glück“, die der Landschaftsverband Westfalen vom 31. März
bis 29. Oktober in seinem Industriemuseum Zeche Hannover in Bochum
präsentiert, veranschaulicht diese Auswanderungsbewegung. Das
Begleitprogramm reicht von Vorträgen über einen genealogischen Workshop
bis zur Wild West-Show mit Cowboys und Indianern zur Nacht der
Industriekultur.

Das Spektrum der über 100 Exponate reicht von Fotos und Postkarten über
ein Schiffsmodell bis hin zu persönlichen Gegenstände der Auswanderer,
darunter auch ein Silberlöffel, den der Bochumer Wilhelm Kabeisemann auf
seiner Überfahrt 1853 in die neue Heimat bei sich trug. Wie viele
Westfalen siedelte sich auch die Familie Kabeisemann im Mitteleren
Westen an, in Winneshiek (Iowa). Fast eine Million deutsche fanden in
den Staaten Wisconsin, Ohio und Iowa eine neue Heimat. Wilhelm
Kabeisemann hatte vor seiner Ausreise in Bochum eine Brauerei betrieben.
Jahrelang hatte er mit immer neuen Anträgen versucht, eine
Ausschanklizenz für das gebraute Bier zu erhalten. Doch ohne Erfolg.
Schließlich beschloss er 1853, sein Hab und Gut zu versteigern und mit
seiner Frau und dem dreijährigen Sohn Friedrich Wilhelm nach Iowa
auszuwandern. Dort erwarb Wilhelm ein Stück Land und erlangte 1858 die
Einbürgerung der Familie in Amerika. Noch heute leben Nachfahren der
Kabeisemanns sowohl in den USA als auch in Deutschland.

Hintergrund
Nicht nur wirtschaftliche Not, die vor allem in den ländlich geprägten
Regionen Westfalens der Hauptgrund für die Auswanderung war, trieb die
Menschen in die Ferne. Auch politische Gründe bewegten die Menschen
dazu, ihre Heimat in Deutschland zu verlassen. Das Streben nach
politischer Freiheit brachte nach der Niederschlagung der demokratischen
Revolution in Deutschland 1848/49 viele Aktivisten und Freidenker aus
Westfalen in die USA. Die Vereinigten Staaten galten damals als das
Vorzeigeland der Bürgerrechte, Freiheit und Gleichheit. Zu den
Aktivisten, die nach dem Scheitern der Revolution nach Amerika
emigrierten, gehörte etwa unter anderem die Bürgerrechtlerin Mathilde
Franziska Anneke aus Hiddinghausen bei Hattingen (Ennepe-Ruhr-Kreis)
oder der Maler Carl Schlickum aus Hagen.

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges hatten über acht Millionen Menschen in
Nordamerika deutsche Vorfahren. Sie lebten als Farmer in den nördlichen
Staaten des Mittleren Westens, waren aktiv in der Kultur, in der Politik
und im Wirtschaftleben der Vereinigten Staaten. Vor allem der Bundestaat
Indiana mit seiner Hauptstadt Indianapolis wurde zu einem Zentrum
deutschen Wirkens. In Fort Wayne brauten und vertrieben die Dortmunder
Berghoff-Brüder „Dortmunder Beer“. Clemens Vonnegut aus Münster brachte
es mit einem Haushalts- und Eisenwarenhandel in kurzer Zeit zu Reichtum.
Und William Edward Boeing, Sohn eines Einwanderers aus dem heutigen
Hagen, gelang es gar, einen Weltkonzern aufzubauen.

Agenten vermittelten den Ausreisewilligen die Schiffsfahrkarten für die
Überfahrt in die USA. Die Reise begann meist in den beiden großen
deutschen Auswandererhäfen in Bremerhaven und Hamburg. Das Modell eines
Auswandererschiffes aus dem Deutschen Technikmuseum in Berlin sowie
Postkarten und Werbeplakate der Reedereien zeigen, wie diese Schiffe
aussahen.

Neben Knowhow brachten die Deutschen auch das Vereinswesen mit in die
neue Heimat: In den meisten Städten des Mittleren Westens gab es
Männerchöre und Turnvereine, auch Karneval wurde gefeiert. Mit dem
Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg veränderte sich das Verhältnis
zwischen Amerikanern und Deutschen. „Die hoch geachteten und von manchen
auch beneideten deutschen Eliten gerieten in den USA stark unter Druck.
Viele ließen ihre Familiennamen amerikanisieren. Deutsche Zeitungen,
deutschsprachige Reklametafeln und deutsche Bräuche verschwanden binnen
weniger Wochen aus der Öffentlichkeit. Das war ein entscheidender
Einschnitt, von dem sich die deutsche Gemeinschaft kaum wieder erholen
konnte“, verrät Kurator Dietmar Osses. Ein eigenes Kapitel widmet die
Ausstellung dem Thema Vertreibung und Verfolgung nach 1933. So wanderten
über 120.000 deutsche Intellektuelle und Juden nach der Machtübernahme
der Nationalsozialisten nach Amerika aus.

Auch Diskussionen über zeitgenössische Entwicklungen kann der Blick in
die Geschichte der Amerika-Auswanderung anregen. „Die Parallelen zu
aktuellen Fragen von Migration und Integration sind in dieser
Ausstellung offensichtlich. Das LWL-Industriemuseum versteht sich dabei
als Forum, in dem gesellschaftlich relevante Themen zur Diskussion
gestellt werden“, erklärt Zache. Zwar seien die Deutschen damals nicht
vor einem Bürgerkrieg geflohen, wohl aber aus einer hoffnungslosen
Lebenssituation, die ihnen weder Auskommen noch berufliche Perspektive
in ihrer Heimat bot.

Eröffnung
Bei der Eröffnung der Ausstellung am Donnerstag (30.3.) um 19 Uhr
begrüßt LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Thale die Gäste. Eine
Einführung gibt Ausstellungskurator Willi Kulke. Für den musikalischen
Rahmen sorgt das Jazz-Duo Johanna Schneider. Gäste sind herzlich willkommen.

Katalog
Vom Streben nach Glück. 200 Jahre Auswanderung aus Westfalen nach
Amerika. (Hg.) LWL-Industriemuseum, Westfälisches Landesmuseum für
Industriekultur, Willi Kulke. 164 Seiten, Essen 2016, 14,95 Euro

Begleitprogramm:

Do, 6.4., 19 Uhr
„Dorsten – Chicago. Eine transatlantisch-jüdische Familiengeschichte“.
Vortrag und Gespräch mit Elisabeth Cosanne-Schulte-Huxel vom Jüdischen
Museum Westfalen in Dorsten.

Di, 18.4. – Do, 20.4., 10-18 Uhr
Theater-Workshop für Erwachsene und Jugendliche ab 15 Jahren in
Zusammenarbeit mit dem Schauspielhaus Bochum „Neues Land, neues Glück?!
Hoffnungen und Erfahrungen von Auswanderern“. Kostenfrei. Anmeldung bis
zum 31.3. unter 0231 6961-236.

Do, 20.4., 19 Uhr
Abschlusspräsentation des Theater-Workshops „Neues Land, neues Glück?!
Hoffnungen und Erfahrungen von Auswanderern“.

Do, 4.5., 19 Uhr
Ein Onkel in Amerika? Auf den Spuren der eigenen Vergangenheit. Tipps
und Tricks für den Einstieg in die Ahnenforschung von der
genealogisch-heraldischen Arbeitsgemeinschaft Roland zu Dortmund.

Do, 8.6., 19 Uhr
„Aus Westfalen und Lippe nach Amerika“. Die Geschichte der Auswanderung.
Vortrag von Ausstellungskurator Willi Kulke, Ziegeleimuseum Lage (erste
Station der Wanderausstellung)

Sa, 24.6. 18-2 Uhr
Extraschicht – die Nacht der Industriekultur. Wilder Westen im Revier.
Show und Musik mit Cowboys und Indianern. Ab 22 Uhr „Sommerfest“.
Lesung, Gespräch und Filmausschnitte zum Kinofilm „Sommerfest“ mit Sönke
Wortmann, Frank Goosen und weiteren Schauspielern. Sondereintritt
(Extraschicht-Ticket)

So, 2.7., 16-18 Uhr
Workshop Familienforschung. Individuelle Beratung durch die
genealogisch-heraldische Arbeitsgemeinschaft Roland zu Dortmund.

Do, 6.7., 19 Uhr
„Die deutsch-amerikanische Brauindustrie“. Vortrag von Historikerin Jana
Weiß von der Universität Münster mit anschließender Bierverkostung mit
Biersommelier Matthias Kliemt, Recklinghausen.

Do, 14.9., 19 Uhr
„Solo für einen Colt“. Der Kabarettist Stefan Keim lässt die großen
Mythen des Wilden Westens lebendig werden und zeigt Beziehungen und
Parallelen zwischen Amerika und Westfalen, Wild-West-Zeiten und der
Gegenwart. Ein Westfalo-Western von und mit Stefan Keim aus Wetter an
der Ruhr. Eintritt 8 Euro.

Do, 5.10., 19 Uhr
„Aus Bochum in die Neue Welt“. Die Auswanderungsgeschichte der Familie
Kabeisemann. Gesprächsrunde mit Dr. Hans Hanke (Bochum), Dr. Viktor
Rüttermann (Münster) und Lisa Weißmann (Bochum).

Do, 19.10., 19 Uhr
„Flucht ins Land der Freiheit“. Auswanderung und Exil nach 1848 und
1933. Vortrag von Ausstellungskurator Dietmar Osses, LWL-Industriemuseum
Zeche Hannover in Bochum.

Veranstaltungsort:
LWL-Industriemuseum Zeche Hannover
Günnigfelder Straße 251, 44793 Bochum
Geöffnet Mittwoch-Samstag 14-18 Uhr; sonn- und feiertags 11-18 Uhr